Brüssel - Nach Griechenland könnte möglicherweise auch Italien in den vergangenen Jahre falsche Zahlen zum Haushaltsdefizit gemeldet haben. Das legt ein Bericht der EU-Kommission nahe, den die Behörde laut "Financial Times" am Montagabend im Kreis der Euro-Finanzminister präsentierte. Am Dienstag bestätigte eine Sprecherin die Zweifel der EU-Kommission. Eine Arbeitsgruppe versuche nun "so schnell wie möglich" die Datenlage zu klären.

Die offenen Fragen betreffen die Entwicklung der Schulden im Verhältnis zum Defizit. Wäre das Defizit so niedrig, wie es Italien in den vergangenen Jahren gemeldet hat, dann hätten die Schulden stärker zurückgehen müssen, erläuterte Kommissionssprecherin Amelia Torres. Zweifel am Stand der Schulden gebe es derzeit aber nicht.

Offene Fragen zum Defizit und zur Staatsverschuldung

Laut "FT" habe die Behörde offene Fragen zum Fehlbetrag im Haushalt und zur Staatsverschuldung. Für den Bericht sei die Kommission fünf Monate lang "ungewöhnlichen Elementen" in den offiziellen Statistiken nachgegangen, die seit 1997 ein Haushaltsdefizit unterhalb der Stabilitätsmarke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung ausweisen.

Torres meinte dazu, es gehöre zu den regelmäßigen Aufgaben der EU-Kommission, diese Zahlungsströme zu analysieren. Es habe daher nicht einen speziellen Italien-Bericht gegeben. Nach derzeitigem Wissensstand gehe es aber nicht um eine Korrektur in der gleichen Größenordnung wie dies für Griechenland vor Kurzem nötig geworden war.

Italiens Defizite lagen zuletzt nur knapp unter der zulässigen Höchstgrenze von drei Prozent des BIP. Auch Korrekturen um einige Zehntelpunkte könnten daher dazu führen, dass Italiens Defizit nachträglich gesehen über der Maastricht-Grenze gelegen wäre.

Mehr Kredite als erlaubt

Die in den Statistiken ausgewiesenen Summen zum Haushaltsfehlbetrag lägen unter dem Betrag, den der Staat tatsächlich zur Finanzierung der Haushalte in Form von Krediten aufgenommen habe, schreibt die "Financial Times" unter Berufung auf den Kommissionsbericht. Tatsächlich habe Italien so in jedem Jahr seit 1997 mehr Kredite aufgenommen als dies der Stabilitätspakt erlaube. Laut Zeitung beliefen sich diese Defizite auf bis zu 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2001 und auf 4,1 Prozent im Jahr 2003.

Die Kommission bemängele in ihrem Bericht, dass die Angaben aus Rom zu nur verzögert erfassten Sozialausgaben nicht völlig schlüssig seien, berichtet die Zeitung weiter. Zu Nachfragen über Verbindlichkeiten im Gesundheitssektor habe die italienische Regierung überhaupt keine Informationen geliefert. Unklar sei für die Kommission bisher auch, warum die Staatsverschuldung langsamer als erwartet gesunken sei.

Finanzminister üben Selbstkritik

Im Defizit-Skandal um Griechenland haben die EU-Finanzminister erstmals offiziell auf Versäumnisse der europäischen Institutionen hingewiesen. Die Minister erklärten am Dienstag in Brüssel, die Statistikbehörde Eurostat, die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Ministerrat selbst hätten bei der Bewertung der griechischen Defizitzahlen aufmerksamer sein müssen.

Die Minister bezeichneten es als ernsthaften Grund zur Besorgnis, dass Eurostat die Defizitzahlen trotz offener Fragen verifiziert habe. Die EU-Kommission und die EZB hätten es im Anschluss versäumt, den Rat auf mögliche Ungereimtheiten hinzuweisen. Aber auch der Rat selbst und der Wirtschafts- und Finanzausschuss hätten der Qualität der gemeldeten Zahlen "größere Aufmerksamkeit schenken können".

Vertragsverletzungsverfahren

Griechenland hatte für die Jahre 1997 bis 2003 ein um durchschnittlich mehr als zwei Prozentpunkte zu niedriges Haushaltsdefizit nach Brüssel gemeldet. Auch den Eintritt in die Eurozone hätte das Land wegen eines zu großen Defizits eigentlich nicht geschafft. Am 22. Dezember will EU-Währungskommissar Joaquin Almunia Vorschläge machen, wie das laufende Defizitverfahren gegen das Land fortgesetzt werden soll. Zudem hat Brüssel bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland eingeleitet, das Sanktionen aber nicht vorsieht. (APA/AP)