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Gegessen wird später: Petruchia (Birgit Doll) entzieht dem hungrigen Catherino (Karl Markovics) das Schöpserne.

Foto: AP/Trierenberg
Wien - Mit Gender-Studies hatte William Shakespeare mit Sicherheit nichts am Hut. Und es verübelt dem weltgroßen Dramendichter wirklich niemand, dass er heute überkommene Geschlechterrollen nicht vorausschauend und kritisch in sein Werk miteinbezogen hat. Und so gibt die an diesbezüglichen Klischeerollen überreiche Heiratskomödie Der Widerspenstigen Zähmung immer wieder Anlass, sie zwecks Ehrenrettung ihres Urhebers (er konnte es einfach noch nicht wissen!) in ein heutiges Gewand zu pressen. Sprich: das Weib vom blinden Gehorsam, den Mann aus der Gebieterrolle zu befreien.

Wie macht das das Volkstheater? Es dreht den Spieß kurzerhand um: Alle Männerrollen (die Väter der Bräute, die Bräutigame selbst) werden zu Frauenrollen - und umgekehrt. Die zur Zähmung vorgesehene Katharina mutiert in der hanebüchenen Inszenierung Margit Mezgolichs mit Karl Markovics zum Catherino, ihre begehrte Schwester Bianca, die erst heiraten darf, wenn die ältere unter der Haube ist, wird zum Bianco (Holger Schober), der als Brautbändiger bekannte Petruchio triumphiert als Petruchia (Birgit Doll): Eine Dame im knöchellangen Cowboymantel, die sich durch die Heirat vor allem finanziell zu sanieren gedenkt und dabei auch noch den Richtigen abkriegt.

Mit diesem Austausch von a und o, mit einem läppischen Geschlechterwechsel, erwirkt man nun nicht mehr als dasselbe in Grün. Und so ist man gut beraten, die mit einer Theater-im-Theater-Szene in der "Kantine" beginnende Fetzen-Commedia als überpünktliche Faschingsouvertüre fertig zu genießen.

Wenn auf dem Leinwandhalbrund der Himmel über Venetien rot aufgeht, hat das kräftig fehlbesetzte Geschwader der Brautmutter Baptista (z. B. Erika Mottl als Möchtegernbraut Gremia) die von einem Rundbogengang gequerte Drehbühne (Bühne: Hermann Krejcar) schon freigemacht für das zänkische Duo Catherino (Markovics) und Petruchia (Doll):

Unter der brausenden Bezirzung Dolls setzt der störrische Catherino seine Zeitung (die Karrierenbeilage) sogar auf Halbmast. Die Bändigung des katerhaften Zukünftigen (früher: Kätzchen) vollzieht sie im Sturm. Und in kurzen (ernsten) Momenten erinnert das grausame Spiel der beiden sogar an Machtspiele à la Fassbinder: "Er ist mein Land, mein Zubehör, mein Werkzeug!"

So stehen die Frischvermählten ganz einig im Abseits ihrer eigenen Hochzeit, während der Rest einen unsäglichen Kraut- und Rübenkostümball für Eskimo- und Chaneldamen oder auch Schneeköniginnen abhält (Kostüme: Andrea Költringer).

Zum Schluss tönt nochmal die Lautsprecherstimme vom Band und mahnt - Theater im Theater - die nächste Spielprobe ein. Ein Kantinenwitz? (DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.12.2004)