Ankara - Knapp zwei Wochen vor der EU-Entscheidung über Beitrittsverhandlungen mit der Türkei hat das Parlament in Ankara die Machtbefugnisse der Polizei erheblich eingeschränkt. Nach der Modernisierung des Strafrechts verabschiedeten die Abgeordneten am Samstag eine neue Strafprozessordnung, mit der die Rechte von Verdächtigen und Häftlingen gestärkt werden. Die Reform ist Teil der Zusagen Ankaras an die EU, die Gesetze europäischen Normen anzupassen.

Demnach benötigen Polizisten für eine Hausdurchsuchung künftig die Genehmigung eines Richters oder Staatsanwalts. Zurzeit müssen sie lediglich eine höhere Dienststelle um Erlaubnis bitten. Das Abhören von Verdächtigen kann ebenfalls nur noch von Richtern oder Staatsanwälten angeordnet werden und dann auch nur als letztes Mittel - etwa bei Verdacht auf Mord oder Drogen-und Menschenhandel.

Die Polizei muss in Zukunft einen Festgenommenen sofort auf seine Rechte hinweisen und darf ihn ohne eine formelle Beschuldigung nicht länger als 24 Stunden festhalten. Ferner muss ein Familienmitglied über die Festnahme informiert werden.

Ein Kompromiss wurde bezüglich der medizinischen Überprüfung von weiblichen Angeklagten und Häftlingen erreicht. Abgeordnete der Regierungspartei AKP verlangten, dass Frauen nur von Ärztinnen untersucht werden dürfen, was die Opposition ablehnte. Nun heißt es, Frauen hätten das Recht, einen weiblichen Doktor zu verlangen.

In den nächsten Tagen will das Parlament noch zwei Entwürfe zur Vollstreckung von Strafen sowie zur Errichtung von Spezialeinheiten verabschieden. Auch dies entspricht den Anforderungen der EU an Ankara. Als wichtige Reformschritte wurden bereits die Todesstrafe ausgesetzt und der Einfluss der Streitkräfte auf die Politik beschnitten. Die Reformen werden am 1. April 2005 in Kraft treten. Über den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wird bei einem EU-Gipfeltreffen am 17. Dezember entschieden. (AP, dpa/DER STANDARD, Printausgabe, 06. 12. 2004)