Wien - Eine angeknackste Psyche, ein erschüttertes Vertrauen bis hin zu einem aus den Fugen geratenen Weltbild könnten die Vorfälle im oberösterreichischen Bundesheer für die rund 80 betroffenen Rekruten nach sich ziehen. Die fingierte Geiselnahme - ein so genanntes "Man-made-desaster" - und die damit verbundene körperliche und geistige Folter könnte als kumulative Traumasituation der Stufe zwei bewertet werden, so Primarius David Vyssoki, medizinischer Leiter des psycho-sozialen Zentrums ESRA.

Nach 40 Kilometer Marsch steigt das traumatische Erleben

Verstärkt wird das traumatische Ereignis durch eine organische Komponente: nach dem kräfteraubenden zweitägigen Marsch über 40 Kilometer sei der Mensch wesentlich vulnerabler, wodurch die traumatische Prävalenz deutlich ansteige, erklärte Vyssoki. Eine Nachbehandlung der Soldaten sei unerlässlich, wobei die Betroffenen zunächst psychisch mit samt ihrer Vorgeschichte unter die Lupe genommen werden müssten.

Es sei zu klären ob der Einzelne bereits durch Erlebnisse bereits traumatisch vorbelastet sei. Sollte dies der Fall sein, könne durch die physischen und psychischen Misshandlungen in der Kaserne Freistadt eine massive Retraumatisierung stattgefunden haben. Nach der Diagnose müsse eine entsprechende Therapie stattfinden.

Öffentlichkeit hilft

Dass die vorgeworfenen Misshandlungen publik geworden sind, bewertete Vyssoki als sehr positiv für die Behandlung. Das öffentliche Anprangern der Übergriffe habe eine positive Auswirkung auf die Nachbehandlung und helfe den jungen Soldaten dabei, ihr Weltbild wieder ins Lot zu bringen. Es sei leicht möglich, dass dieses bei dem einen oder anderen aus den Fugen geraten sei, vor allem auf Grund der Tatsache, dass es sich bei den Misshandlern um Vorgesetzte handelte. (APA)