Der Soziologe Max Haller von der Karl-Franzens-Universität Graz und sein Kollege von der Universität Wien, Wolfgang Schulz, führten unabhängig voneinander zu Beginn des vergangenen und des heurigen Jahres repräsentative Umfragen durch, um zu ergründen, welches Resümee die Österreicher aus der EU-Mitgliedschaft ziehen. Eine, gleichwohl verkürzte, Conclusio lautet: Es gibt viel mehr zu kaufen - aber wir können es uns nicht mehr leisten. Während die Befragten nämlich das vergrößerte Warenangebot, neben Reise-Erleichterungen und besseren Bildungschancen, als eines der ganz wenigen Positiva der EU-Integration betrachten, sind sie ziemlich einhellig der Meinung, dass seit dem EU-Beitritt die Preise für Güter des täglichen Bedarfs gründlich gestiegen sind.
Verschlechterungen bei sozialen Standards
Ähnlich übereinstimmend meinen die insgesamt 2.300 Befragten der Grazer und Wiener Studien, dass die EU-Integration Österreichs deutliche Verschlechterungen bei sozialen Standards und der Qualitätssicherung bei Lebensmitteln gebracht haben. Ähnlich vernichtend wie das Urteil über die Preisentwicklung ist auch die Einschätzung, was sich denn in den Fragen Transitverkehr, Arbeitslosigkeit und Kriminalität getan habe: Die überwältigende Mehrheit - 73 bis 82 Prozent - meint, das sich hier vieles, wenn nicht alles zum Schlechteren geändert hat.
Die Wissenschafter warnen nun vor der Verlockung, diese Ergebnisse damit abzutun, die Bevölkerung sehe Nachteile viel stärker, als sie wirklich sind, und unterschätzten die positiven Aspekte der EU-Mitgliedschaft. Die faktische Entwicklung im Land zeigt für sie deutlich, "dass die Einschätzungen der Bürger alles andere als realitätsfern zu bezeichnen sind". So zeige sich etwa, das das durchschnittliche Bruttoeinkommen von Arbeitern und Angestellten zwischen 1993 und 2002 von 1.460 auf 1.650 Euro gestiegen, das inflationsbereinigte Einkommen mit 1.398 Euro in diesem Zeitraum aber tatsächlich gesunken sei. Auch betrage der faktische Preisanstieg von 1996 bis 2003 immerhin 5,7 Prozent, womit die Bevölkerung also auch hier "nicht ganz falsch liegen" dürfte, wie die Sozialforscher meinen. Auch die Kleinkriminalität, oft in Zusammenhang mit Drogenhandel, sei seit Mitte der 80er Jahre tatsächlich gestiegen. Und das praktisch ersatzlose Auslaufen des Transitvertrages ist, verglichen mit dem Beitrittsargument, Österreich könne in der EU mehr erreichen als von draußen, nach den Erkenntnissen der Soziologen ohnehin "die mit Abstand eindeutigste Misserfolgsgeschichte".