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Erprobte Koalitionäre: Likud-Chef Sharon und der Führer der Arbeiterpartei, Peres, wollen wieder gemeinsam regieren.

Foto: AP /Lefteris Pitarakis
Ariel Sharon hat nun endlich eine Alleinregierung, aber wenig Grund zur Freude: Nachdem Austritt der Zentrumspartei Shinui am Mittwochabend verfügt Israels Premier im Parlament nur noch über 40 der 120 Mandate, und auch von diesen 40 wird gut die Hälfte von jenen Likud-"Rebellen" besetzt, die das Hauptprogramm ihres Chefs, den Rückzug aus dem Gazastreifen, ablehnen. Trotzdem besteht noch nicht wirklich der Eindruck, dass Sharon die Kontrolle verliert.

Die Krise, aus der er gestärkt hervorzugehen hoffen darf, hatte Sharon sehenden Auges herbeigeführt, und sie hinderte ihn nicht daran, auch Mittwochnacht wieder selbstbewusst zu erklären: "Der Abzug aus Gaza wird vollständig und nach dem festgelegten Zeitplan ausgeführt."

Wie schon so oft in der Vergangenheit war es vordergründig wieder einmal ein Haushaltsentwurf, an dem eine israelische Koalition zerbrach, und bei allen nahostpolitischen Sorgen kommt auch den Wirtschaftsthemen in Israel einiges Gewicht zu. Mit einem beinahe brutalen Spar- und Privatisierungskurs ist es Finanzminister Benjamin Netanjahu gelungen, die durch die Intifada und die Hightechflaute ramponierte Wirtschaft wieder zum Wachsen zu bringen. Zugleich scheinen die Armen immer ärmer zu werden, und wie schon vor einem Jahr wehren sich die Linken und die Religiösen wieder gemeinsam gegen ein als "unsozial" und "herzlos" kritisiertes Budget. Trotzdem wäre es für Sharon nicht unbedingt notwendig gewesen, der kleinen "Thora-Judentum"-Partei gerade jetzt eine relativ unbedeutende Summe für religiöse Zwecke zuzuschanzen – der Zug war offensichtlich darauf angelegt, die engagiert antireligiöse Shinui hinauszuekeln.

"Wir stehen mitten in wichtigsten außen- und wirtschaftspolitischen Prozessen", sagte Sharon beinahe entschuldigend in Richtung seiner bisher treuesten und nun so kühl entsorgten Partner, "es ist meine Pflicht, weiter das Land zu managen". Neuwahlen kamen für Sharon nicht infrage, weil dadurch der Rückzug lange verzögert oder gar verhindert würde, und mit Shinui im Boot war eine Erweiterung der Koalition einfach nicht machbar: Shinui selbst würde sich nämlich mit den orthodoxen Fraktionen nie an einen Regierungstisch setzen, und eine Kombination mit Shinui und der Arbeiterpartei würde von den Likud-Falken als zu linkslastig abgelehnt.

Nun hat Sharon gute Aussichten, wieder eine "Einheitsregierung" mit Sozialdemokraten und Orthodoxen hinzukriegen, wie sie in seiner ersten Amtsperiode gut zwei Jahre lang gehalten hat. Zu diesem Zweck wird er am Budgetentwurf wohl Korrekturen anbringen müssen, aber höchste Priorität hat für ihn eben die "Abtrennung von den Palästinensern". Das Motiv für die Arbeiterpartei, aber auch der weiter links stehenden Gruppierungen, Sharon jetzt auf keinen Fall zu stürzen, ist die konkrete Hoffnung auf baldige nahostpolitische Bewegung. Sharon deutete sogar an, es müsse nicht dabei bleiben, dass der Rückzug ganz "einseitig" erfolgt. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2004)