Nach zweijährigen Auseinandersetzungen hat die römische Abgeordnetenkammer die heftig umstrittene Justizreform endgültig verabschiedet. Während die Regierung die Reform als "historischen Meilenstein" preist, sehen Italiens Richter darin eine akute Gefährdung ihrer Unabhängigkeit. Der Vorsitzende der Richtervereinigung, Edmondo Bruti Liberati, wertet das Gesetz als "verfehlt, unnütz und verfassungswidrig".

Die Reform führt in den Gerichtssprengeln eine streng hierarchische Ordnung ein. Der Oberstaatsanwalt wird mit zahlreichen Befugnissen ausgestattet. So kann er Staatsanwälten ohne Angabe von Gründen Verfahren entziehen. Erstmals kann auch der Justizminister Disziplinarverfahren gegen Richter eröffnen. Für Richter werden psychische Eignungstests eingeführt, die gesamte Laufbahn wird neu geregelt.

Antonio Patrono von der Richtervereinigung: "Ein Paradies für Karrieristen". Die Opposition kritisierte, dass die Reform die Grundübel der italienischen Justiz unangetastet lasse: "Endlose Prozesse, Ineffizienz, Personalmangel und sinnlose Bürokratie bleiben bestehen", klagte die Justizsprecherin der Links^demokraten, Anna Finocchiaro, "man will nur die Richter disziplinieren."

Justizminister Roberto Castelli hat Staatspräsident Ciampi ersucht, das Gesetz "möglichst rasch" zu unterzeichnen. Doch ob Ciampi die umstrittene Reform mit seiner Unterschrift absegnet, ist fraglich. Der Staatspräsident hatte mehrmals an die Regierungsparteien appelliert, "in einem empfindlichen Bereich wie der Rechtsprechung einen Alleingang zu vermeiden". Die Tageszeitung La Repubblica appellierte an Ciampi: "Jetzt darf der Staatspräsident nicht schweigen."

Premier Silvio Berlusconi nahm am Donnerstag die angekündigte Regierungsumbildung vor. Der christdemokratische Parteichef Marco Follini ersetzt Gianfranco Fini als Vizepremier, sein Parteifreund Mario Baccini wurde Minister für die öffentliche Verwaltung. Damit sollen die Christdemokraten, die Berlusconi oft nur halbherzig unterstützt hatten, enger an die Regierung gebunden werden.

Dessen Euphorie kannte so auch keine Grenzen. Seine Koalition werde auch die nächsten Wahlen gewinnen, erklärte Berlusconi und kündigte eine neue Steuersenkung an. "Wenn unsere Alliierten dieses Ziel nicht teilen, kandidieren wir alleine", so der Re^gierungschef. Exwirtschaftsminister Giulio Tremonti werde ein Spitzenamt in der Partei übernehmen. Berlusconi: "Forza Italia kann die Stimmen durchaus verdoppeln." (DER STANDARD, Printausgabe, 3.12.2004)