Rote Locken, Sommersprossen, Tanzen und urige Pubs – so stellen sich viele den irischen Alltag vor. Wenn man dann noch Riverdance, Moorlandschaften und Schafe dazu addiert, ist die Idylle perfekt. Für Touristen ist Irland in den vergangenen Jahrzehnten zweifellos zu einer begehrten Destination geworden. Doch nicht nur der Fremdenverkehr boomt auf der grünen Insel – auch die wirtschaftliche Situation lässt einen ins Schwärmen kommen.

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Denn die Entwicklung Irlands vom Schlusslicht zum Spitzenplatz Europas ist wirklich beachtenswert. Im Jahr 1987 betrug das irische BIP pro Person 69 % des EU-Durchschnitts, schon 2003 gehörten die Iren mit 136 Prozent zu den Reichsten Europas. Im selben Zeitraum ist die Arbeitslosenquote von 17 auf vier Prozent gefallen, die Staatsverschuldung von 112 auf 33 Prozent. Dementsprechend dynamisch auch das Wirtschaftswachstum: 2004 wird ein BIP-Wachstum von 4-5 Prozent erwartet. (Killorglin, Co. Kerry)

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Gerade die neuen EU-Länder analysieren daher besonders interessiert die volkswirtschaftliche Entwicklung im äußersten Westen der EU. Und auch immer mehr Wirtschaftswissenschafter stellen die Frage ob ein „keltischer Tiger“ in Osteuropa wiederholt werden kann. Es kommt aber wenig überraschend, dass es hier natürlich keine einfache Erklärung gibt. Die meisten Ökonomen stimmen überein, dass es in Irland eine Kombination mehrerer verschiedener Faktoren gab, die zu einem solch spektakulären Wachstum führten. (Foto: Dublin)

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Es hilft wenn man die Frage anders stellt. Im historischen Kontext gesehen, ist nämlich nicht die aktuelle positive wirtschaftliche Entwicklung Irlands so interessant als vielmehr die eklatant schlechte in den Jahrzehnten davor. Zur Zeit der politischen Unabhängigkeitserklärung 1922 war Irland etwa auf demselben Wohlstandsniveau wie der Rest Europas. Doch bis 1960 war Irland weit zurück gefallen; diese Situation sollte bis in die 1980-er Jahre andauern. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, erleben wir soeben eine längst fällige Aufholjagd Irlands. (Foto: Jugendliche mit Handys in Dublin)

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Einige Faktoren haben nichtsdestotrotz zur ökonomischen Gesundung Irlands geführt: Diese wären, nach Wichtigkeit aufsteigend gereiht. Finanzpolitische- und Währungsreform. Die Fianna Fail Regierung unter Charles Haughey begann, mit aktiver Unterstützung der oppositionellen Fine Gael, radikal Staatsausgaben, Steuern und Schulden zu kürzen. Fallende Zinsraten trugen zur Stimulation der Wirtschaft bei, wie auch eine Währungsreform 1993. Auch von der Einführung des Euros konnte Irland durch niedrige Zinsen stark profitieren. (Foto: Charles Haughey)

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Die Steuerkürzungen waren Teil einer neuen Sozialpartnerschaft. Im Gegensatz zu Großbritannien wo Margaret Thatcher stark gegen den Sozialstaat vorging, forcierte die irische Regierung Gespräche mit den Gewerkschaften, die ihrerseite Einbußen akzeptierten um Steuersenkungen und mehr Mitsprachemöglichkeiten zu ermöglichen. Auch siebzehn Jahre später schwärmen beide Sozialpartner von den Vorteilen dieser Gesprächsbasis.

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Gerade Nettozahler wie Deutschland oder Österreich weisen gerne darauf hin, dass das irische Wunder nur dank massiver Transferzahlungen möglich wäre. Doch die EU-Gelder flossen schon seit 1973 mit anfangs geringen Auswirkungen. Auch nach der Ausweitung der Strukturfonds 1992 überschritten die Transfergelder nie mehr als 5 Prozent des irischen BIP, weitaus weniger als Ostdeutschland zu dieser Zeit bekam. Laut den meisten Studien haben die EU-Subventionen während der 90-Jahre bestenfalls 0,5 Prozent jährlich zum Wachstum beigetragen. Sicherlich eine nicht unbeträchtliche Summe Geld, aber dennoch klein im Vergleich mit durchschnittlichen Wachstumsraten von 6,9 Prozent. (Foto: Das Straßenbahnnetz in Dublin wird derzeit stark ausgebaut)

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Weitaus wichtiger als EU-Gelder war die Entwicklung des EU-Binnenmarktes. Als Niedriglohnland konnte Irland stark von der Marktöffnung profitieren. Die EU-Subventionen hatten auch andere indirekte Folgen für die irische Wirtschaft. Indem sie an langfristige Kapitalplanungen gebunden wurden, haben sie damit die Infrastrukturausgaben vor konjunkturbedingten Kürzungen beschützt. (Foto: Guinness bleibt auch im Hightech-Zeitalter ein Exportschlager)

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Schon in den 1960-er Jahren konnten viele ausländische Firmen nach Irland gelockt werden. Hightech-Unternehmen wie Gateway und Polaroid wurden angelockt durch niedrige Arbeitskosten und einer Körperschaftssteuer von Null. Nach Beschwerden aus Brüssel mussten die Steuersätze angehoben werden, (derzeit sind die Steuersätze für alle Unternehmen mit 12,5 Prozent fixiert), die Ireland Industrial Development Authority (IDA) ist jedoch weiterhin sehr erfolgreich dabei, Unternehmen aus der Software-, Pharma-, und Computerbranche anzulocken. (Foto: Der Dubliner Flughafen ist der wichtigste Zugang für ausländische Unternehmen)

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Eines der größten Vorteile Irlands liegt in dem großen Angebot an gut ausgebildeten Arbeitskräften. Die Universitäten in Dublin, Limerick, Cork und Galway produzieren am laufenden Band Ingeneure, Ökonomen und andere Wissenschafter. Diese Arbeitskräfte sind ein ausschlaggebender Faktor für die Entwicklung der Hightechunternehmen geworden. (Foto: Trinity College in Dublin)

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In den 1960-er und 1970-er Jahren hat die hohe Steuerlast die Inlandsnachfrage massiv belastet. Erst in den frühen 90-er Jahren wurden die Steuersätze sukzessiv reduziert um damit nicht nur den Konsum zu ermutigen, sondern auch die Entwicklung von Jungunternehmen zu fördern.

Faktor Demografie: Der Baby-Boom dauerte in Irland länger an als im Rest Europas, und die Zahl der Pensionisten ist niedriger dank der hohen Auswanderung in den Jahrzehnten nach dem Krieg. Während also der Rest Europas unter den hohen Kosten der Pensionisten leidet, profitiert Irland von einer dynamischen jungen Bevölkerung. Zum ersten Mal in der Neuzeit übertrifft auch die Immigration die historisch sehr hohe Emigration. (Musiker in der Dubliner Fußgängerzone)

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Am meisten haben aber die irischen Arbeitskräfte zum Wirtschaftswunder beigetragen. Bis in die 1980-er Jahre hinein, war der Anteil von Frauen an der erwerbstätigen Bevölkerung sehr niedrig, jetzt liegt der Anteil über dem EU-Schnitt. Die Arbeitslosenrate die 1987 17 Prozent ausmachte, wurde auf den heutigen Wert von vier Prozent gedrückt. Insgesamt ist die Erwerbsquote von 60 Prozent in den 80-er Jahren auf beinahe 70 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen: 1993 arbeiteten 1,2 Millionen Iren, jetzt sind es 1,8 Millionen. Dieser Faktor dürfte etwa 50 Prozent zum irischen Wachstum beigetragen haben. (sam)

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