Das Österreichische Filmmuseum widmet dem Filmemacher Ernst Lubitsch, dem Meister der doppeldeutigen Gesellschaftskomödie (hier 1933 am Set von Design for Living mit Gary Cooper, Miriam Hopkins und Frederic March) eine vollständige Retrospektive.

Von Dominik Kamalzadeh



[Zum Ausdrucken: Artikel in Textform]

Foto: Filmmuseum

Wien – "Türen waren ihm wichtiger als die Menschen": Mary Pickford, ein großer Star des frühen US-Kinos, soll von Ernst Lubitsch enttäuscht gewesen sein, schreibt die Filmpublizistin Frieda Grafe, nicht nur, weil er ständig Bratkartoffeln aß.

Dabei war es die Schauspielerin selbst gewesen, die den Berliner Filmemacher erst überredet hatte, 1922 nach Hollywood zu kommen, um mit ihr den Historienfilm Rosita zu drehen.

Foto: Filmmuseum

Türen produzieren Unerwartetes, sie gehen auf, und jemand anderer, als vermutet wurde, tritt durch sie hindurch; oder sie öffnen sich, aber niemand darf herein, wie in Das fidele Gefängnis (1917, mit Harry Liedke), in dem am Ende, nach einer durchzechten Nacht, ein vermeintlicher Freier nach dem anderen brüsk abgewiesen wird:

Mit Stummfilmkomödien wie dieser Adaption der Fledermaus begann Lubitschs Karriere. Seine Lehrjahre hatte er davor bei Max Reinhardt als Schauspieler am Theater absolviert. Die Faszination für die Dingwelt, die Ausstattung, das Dekor zeigt sich schon hier:

Foto: Filmmuseum

Mittels Verkleidungen wechselt das Dienstmädchen zur Gesellschaftsdame, während die Ehefrau hinter einer Maske zur mysteriösen Unbekannten wird. Klassenunterschiede werden kurzzeitig aufgehoben – im Gefängnis, das von einem augenrollenden Emil Jannings bewacht wird, macht weniger das Verbrechen als der Alkohol alle gleich.

Pickfords Aufmerksamkeit hatten jedoch Lubitschs größer budgetierten Ufa-Filme erregt, historische Kostümfilme wie Madame Dubarry (1919) ...

Foto: Filmmuseum

... oder Das Weib des Pharaos (1922). Aber schon in diesen Arbeiten ist die vergangene Epoche nur eine Kulisse für private Intrigen, Eifersüchteleien, die Wirrungen der Liebe. Menschliche Schwächen legte Lubitsch in diesem Ambiente bloß, heroisches Gebaren interessierte ihn nicht.

Gesellschaftskomödien waren es, fünf "sex comedies" im Auftrag von Warner Bros., mit denen er sich in den USA als ebenso effizienter wie erfolgreicher Regisseur etablierte, dessen populären Studioarbeiten man bald den berühmten "Lubitsch-Touch" zusprach:

Foto: Filmmuseum

... ein Stil, der seine Komik aus Mehrdeutigkeiten schöpft. Einstellungen werden zu Zeichen, die Bedeutungen in diverse Richtungen streuen, und die Zuschauer zu aktiven Komplizen von irrwitzigen Plots, in denen Trug und Schein der Motor sind.

Vor allem Dreieckskonstellationen erlaubten ihm, dieses Prinzip der komischen Täuschungen immer wieder neu zu variieren: In Trouble in Paradise (1932) ist es signifikanterweise ein Diebespärchen, das sein nächstes Opfer in einer reichen Witwe erwählt.

Foto: Filmmuseum

Als persönlicher Sekretär erschleicht sich Herbert Marshall ihr Vertrauen, aber geradlinig verläuft hier gar nichts: Der Verführer wird selbst verführt; Schmuckgegenstände wie Charaktere wechseln unaufhörlich den Platz; der Dialog bleibt im Konjunktiv ("It could have been marvellous..."), wo der Indikativ angebracht wäre.

Kunst der Ellipse

Auslassungen und Ellipsen bestimmen Lubitschs komische Form, ...

Foto: Filmmuseum

... auch in Angel (1937), in dem Marlene Dietrich zuerst in Paris eine kurze Affäre mit Melvyn Douglas genießt, dann aber zu ihrem britischen Gatten zurückkehrt.

Eine romantische Melodie verrät hier den Seitensprung, die Indizien scheinen eindeutig, ein Melodram könnte die Folge sein. Doch auch hier bleibt die Ambivalenz siegreich, wenn es bis zuletzt die Frau ist, die den Männern suggeriert, welchen nächsten Schritt sie setzen müssen.

Foto: Filmmuseum

Es ist charakteristisch für Lubitsch, dass er seine Sympathien für Figuren nicht ausdrücklich darlegt. Sein Spott gilt eher der Vorstellung, dass mit der Ehe das Spiel der Verführung zu Ende ist.

In That Uncertain Feeling (1941) wird ein solcher Mangel zum Symptom: Merle Oberon, seit sechs Jahren mit einem Langweiler verheiratet, leidet unter Schlaflosigkeit und Schluckauf, bis sie eines Tages auf einen missmutigen Pianisten (Burgess Meredith) trifft, mit dem sie ein Verhältnis beginnt, das zum Scheidungsgrund wird.

Foto: Filmmuseum

Das Muster wiederholt sich hier, in anderer Besetzung: Der Langweiler wird als Single wieder begehrenswert, während die manischen Anfälle des Pianisten im Alltag nervtötend wirken.

Lubitsch demonstriert auf vielfältigste Weise, wie Menschen in unterschiedlichen Zusammenhängen völlig unterschiedliche Wirkungen zeitigen – oder wie die Künstlichkeit eines Geschäfts in Heimeligkeit umschlagen kann:

Foto: Filmmuseum

In The Shop Around the Corner (1940) ist James Stewart in den Augen von Margaret Sullivan ein pedantischer Arbeitskollege, aber er ist auch der Mann ihrer Träume, der ihr anonyme Liebesbriefe schickt.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.12.2004)

Details, Programm: filmmuseum.at

[Zum Ausdrucken: Artikel in Textform]

Foto: Filmmuseum