"Griechenland hätte der Eurozone nicht beitreten dürfen - anhand der Zahlen, die wir heute wissen." So nüchtern bilanzierte eine Sprecherin der EU-Kommission Mittwoch die Ermittlungen von Eurostat. Seit 1997 hat Griechenland den Brüsseler Währungshütern falsche Zahlen gemeldet.

Athen schickte niedrige Defizitzahlen, etwa von 1,4 Prozent - in Wahrheit schaffte es Griechenland seit 1997 kein einziges Mal, die im Stabilitätspakt eingezogene Grenze von drei Prozent Defizit zu unterschreiten. Es konnte nur aufgrund gefälschter Werte 2001 der Euro-Zone beitreten.

Die EU-Kommission hat nun am Mittwoch Konsequenzen für diese Tricksereien debattiert. Sie beschloss, Griechenland mit einem blauen Auge davonkommen zu lassen: Die Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Athen eingeleitet.

Keine Strafe geplant

Griechenland hat nun zwei Monate Zeit, "in seinem statistischen Haus Ordnung zu machen", wie es die Kommissionssprecherin formulierte. Wenn Griechenland sein Statistikamt repariert, muss es keine weiteren Konsequenzen fürchten. Ein Vertragsverletzungsverfahren hat im EU-Rechtsgefüge den Sinn, Mitgliedsstaaten zur Einhaltung der Verträge zu zwingen - so wurde etwa einmal eines gegen Österreich verhängt, auf dass es bestimmte Einfuhrbeschränkungen aufhebt.

Für jahrelange Tricksereien ist in den EU-Verträgen keine Strafe im Nachhinein vorgesehen. "Wir haben für den Fall keine Vorsorge getroffen", bekannte ein EU-Sprecher freimütig ein. Daher muss Griechenland auch keine Sanktionen fürchten - weder den Ausschluss aus der Eurozone noch andere Strafen.

Möglich wäre gewesen, Athen die Kohäsionsfondsgelder zu kürzen. Diese Sanktion wäre rechtlich begründbar gewesen, Währungskommissar Joaquin Almunia hat sie auch mehrmals laut angedacht - die Kommission rang sich Mittwoch aber nicht dazu durch.

Strafverfahren wegen aktuellem Defizit

Allerdings läuft gegen Griechenland ein Strafverfahren wegen seines aktuellen Defizits, das mit 5,3 Prozent das höchste der Euro-Zone ist. Dieses Verfahren hat nichts mit den Zahlenschummeleien zu tun, sondern mit aktuellen Defizitwerten.

Auf politischer Ebene kommt indes ein Mann immer mehr unter Druck: Lucas Papademos. Der Grieche ist heute Vizepräsident der Europäischen Zentralbank - und war davor Gouverneur der griechischen Zentralbank. Bisher hat er Kommentare dazu verweigert, ob beziehungsweise was er von den Zahlenschummeleien wusste.

Neuer Eurostat-Chef

Die EU-Kommission will ohnehin lieber in die Zukunft als in die Vergangenheit blicken. Um geschönte Defizite zu vermeiden, will sie die Statistikbehörde Eurostat stärken. Als ersten Schritt bekommt Eurostat in den nächsten Wochen einen neuen Generaldirektor: Favorit dafür ist der Österreicher Günter Hanreich, der bisher Direktor für die transeuropäischen Energienetze in der EU-Kommission war. (DER STANDARD Printausgabe, 02.12.2004)