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George W. Bush mit dem kanadischen Premier Paul Martin

Foto: Reuters/Downing
Wien - Knapp einen Monat nach seiner Wiederwahl ist George W. Bush schneller als erwartet einer Einladung aus dem Norden nachgekommen: Am Dienstag trat der US-Präsident eine zweitägige Reise nach Kanada an, um sich mit Premier Paul Martin über wichtige bilaterale Probleme, die Weltpolitik und vor allem den Irak zu unterhalten. Es ist die erste offizielle Reise eines US-Präsidenten nach Kanada seit fast zehn Jahren.

Das Gesprächsklima zwischen Bush und Martin dürfte dabei um einiges konsensualer ausfallen als es jenes zwischen Bush und Martins Vorgänger Jean Chrétien gewesen war, der sich vor einem Jahr in die Pension zurückzog. Chrétien hatte Washington 2003 verärgert, als er eine Teilnahme Kanadas am Irakkrieg brüsk ablehnte und auch sonst aus seiner Geringschätzung für Bush keinen Hehl machte. Ein Bush-Besuch in Kanada unter einem Premier Chrétien war von den Amerikanern ausgeschlossen worden.

Chrétien ist nicht der einzige Kanadier, der mit Bush Schwierigkeiten hat. Der Irakkrieg wird im Land mit großer Mehrheit abgelehnt. Seine Parteifreundin, die liberale Abgeordnete Carolyn Parrish, musste Martin mehrfach zur Ordnung rufen - einmal, weil sie die kriegsführenden Länder im Irak als "Koalition von Idioten" bezeichnete, ein anderes Mal, weil sie öffentlich meinte, die Wiederwahl des "Kriegsmanns" Bush mache sie "sprachlos". In Ottawa, wo Bush Dienstag eintreffen sollte, wurden bis zu 15.000 Demonstranten erwartet.

Guter Wind

Auf bilateraler Ebene sind die Beziehungen der beiden Nachbarländer durch ein seit 18 Monaten bestehendes Importverbot für kanadisches Rindfleisch belastet, das die Amerikaner nach dem Auftreten eines BSE-Falles verhängt hatten. Hier versuchte Bush schon im Vorfeld seines Besuchs guten Wind zu machen, indem er versprach, er werde sich für eine Aufhebung dieses Verbotes einsetzen.

Beim Thema Irak wiederum zeigten die Kanadier Entgegenkommen. Militärisch werden sie zwar weiterhin nichts beisteuern, wohl aber 300 Mio. US-Dollar für den Wiederaufbau des Landes. Außerdem will Ottawa im Jänner zivile Beobachter zu den Irakwahlen entsenden, sofern diese überhaupt wie geplant stattfinden. Auf der Agenda stand auch eine mögliche Kooperation der beiden Länder beim Raketenschild-Projekt - wobei sich die Begeisterung der Kanadier in Grenzen hält.

In diversen US-Medien wurde im Vorfeld des Bush-Besuches betont, dass die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder immer noch überaus robust seien, sich aber auch Anzeichen eines gesellschaftlichen Auseinanderdriftens der Nachbarn bemerkbar machten, wie es etwa in Michael Moores Dokumentarfilm "Bowling for Columbine" in Szene gesetzt wurde. Dort fungiert Kanada als das liebenswürdig-pazifistische Kontrastbild zu den schusswaffenbesessenen Vereinigten Staaten.

Die Washington Post weist noch auf andere soziale Belange hin, bei denen sich kanadische und amerikanische Sensibilitäten unterscheiden: Dazu zählt die Entkriminalisierung von Marihuana in Kanada, der Umstand, dass die Homoehe dort in drei Provinzen erlaubt und die Todesstrafe im ganzen Land abgeschafft ist. Und ein weiterer wichtiger Punkt: "Von Religion ist in der (kanadischen) Politik so gut wie nie die Rede." (DER STANDARD, Printausgabe, 1.12.2004)