Berlin - Nach monatelanger Debatte haben sich der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, und der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering darauf verständigt, sich vorläufig nicht mehr für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns einsetzen zu wollen. Damit gibt es praktisch keine Chance mehr, Mindestlöhne bis zur Bundestagswahl 2006 einzuführen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder, der am Montagabend an der Sitzung des SPD-Gewerkschaftsrates teilnahm, hatte sich bereits skeptisch zu solchen Plänen geäußert. Die Arbeitgeber hatten dies strikt abgelehnt.

Thema nicht endgültig vom Tisch

Gewerkschaften und SPD-Linke wollen das Thema Mindestlöhne aber weiter forcieren. In Ostdeutschland würden 45 Prozent der Beschäftigten nicht mehr unter den Schutz eines Tarifvertrags fallen, im Westen 30 Prozent.

"Dass heißt, in den Branchen, wo es nicht möglich ist, Tarifverträge abzuschließen, brauchen wir eine Sicherung nach unten", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genuss-Gaststätten, Franz-Josef Möllenberg.

Auch nach Einschätzung führender SPD-Arbeitsmarktexperten wird das Projekt eines gesetzlichen Mindestlohns in den kommenden Monaten wieder auf den Tisch kommen. Als Gründe nannte der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit, Rainer Wend, die zunehmende Abkehr von Tarifverträgen und den steigenden Druck auf unterste Tariflöhne.

Ein-Euro-Jobs

Durch die jüngste Arbeitsmarktreform Hartz IV ab 2005 wird möglich, dass Arbeitslose zur Annahme von Jobs gezwungen werden, deren Bezahlung unter dem "ortsüblichen Niveau" liegt. Arbeitslosen können auch so genannte Ein-Euro-Jobs für kommunale Tätigkeiten angeboten werden. Gewerkschaften fürchten deshalb Dumpinglöhne. (afs, DER STANDARD Printausgabe, 30.11.2004)