Dass Raucher die von ihnen verursachten Kosten durch Tabaksteuern und Frühableben selbst tragen, ist falsch. Umstritten bleibt, wie viel wir alle für die Nikotinsucht draufzahlen. Stefan Löffler hat sich die wichtigsten Fragen gestellt und sie mit Hilfe von Experten beantwortet.

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Kommen Raucher nicht selbst für die Kosten ihrer Sucht auf?

In die Rentenversicherung zahlen Raucher tatsächlich gemittelt mehr ein, als sie später herauskriegen. Bei den Gesundheitskosten sieht es aber schon anders aus. Trotz ihrer verminderten Lebenserwartung benötigen sie über die gesamte Lebenszeit gerechnet mehr ärztliche Behandlung und Krankenpflege als Nichtraucher. Das bedeutet, dass Raucher über die Krankenversicherung Kosten auf Nichtraucher abwälzen - ein gewichtiges Argument für den Gesetzgeber, Anreize gegen das Rauchen zu setzen. Zwar können auch Alkohol und Lebensmittel krank machen oder töten, doch das ist nur der Fall, wenn sie im Übermaß konsumiert werden. Dagegen schädigt Tabak schon, wenn er wie vorgesehen genutzt wird.

Wie belastet das Rauchen die Volkswirtschaft?

Hierzulande fehlen für eine seriöse Berechnung wesentliche Angaben. Die letzten repräsentativen Zahlen, wie viele Österreicher (wahrscheinlich abnehmend) und Österreicherinnen (wahrscheinlich zunehmend) rauchen, stammen von 1997. Auch über die durch das Rauchen verursachten Todesfälle gibt es hierzulande nur Schätzungen, die zwischen 10.000 und 14.000 jährlich variieren.

Gibt es dafür internationale Vergleichszahlen?

EU-weit soll das Rauchen das Bruttosozialprodukt um 1,04 Prozent bis 1,38 Prozent schmälern. Diese Angabe stammt aus dem im Oktober von der EU-Kommission vorgelegten "Tobacco or Health"-Bericht. Dabei heißt es dort einschränkend, dass viele Kosten gar nicht berücksichtigt seien. Kanadische Berechnungen kamen einmal auf 1,4 Prozent, einmal auf 2,2 Prozent. In Ungarn ist die volkswirtschaftliche Last durch das Rauchen für 2002 sogar auf 4 Prozent geschätzt worden.

Warum fallen Berechnungen so verschieden aus?

Praktisch geht jede Studie etwas anders vor. Das liegt weniger an Uneinigkeit darüber, welche Kosten zu berücksichtigen sind, als vielmehr daran, dass in verschiedenen Ländern unterschiedliche Daten in unterschiedlicher Qualität statistisch erfasst werden. Die Kosten der ärztlichen Behandlung und Pflege sowie das Einkommen, das durch vorzeitigen Tod oder Invalidität verloren geht, sind gemeinhin die Grundlage, wenn die Folgekosten des Rauchens ermittelt werden. Man geht davon aus, dass jeder zweite Raucher seinem Tabakkonsum zum Opfer fällt. Bei den Behandlungskosten wurden früher meist nur Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma und Bronchitis einberechnet, seltenere durch das Rauchen verursachte Krankheiten jedoch vernachlässigt. Inzwischen werden zunehmend auch indirekte Folgekosten berücksichtigt.

Welche indirekten Kosten verursacht Rauchen?

Früher dachte man da an zusätzliche Reinigungskosten auf Straßen oder in öffentlichen Gebäuden durch Kippen und volle Aschenbecher. Oder daran, dass Raucher öfter Brände verursachen. Weit stärker ins Gewicht fällt aber etwa, dass Raucher häufiger arbeitslos sind. Oder der Verdienstausfall von Angehörigen, die sie unentgeltlich pflegen. Oder die auf das Passivrauchen zurückgehenden Krankheiten und Todesfälle. Bei Messungen des Nikotingehalts und der Zigarettenasche in der Luft in viel besuchten Räumen wurden in einem aktuellen Vergleich von sieben EU-Ländern laut dem Wiener Umweltmediziner Manfred Neuberger die höchsten, also am meisten Besorgnis erregenden Werte in Österreich gemessen. Das ist keine Überraschung, wird der Nichtraucherschutz doch hierzulande vernachlässigt. Errechenbar sind die Kosten des Passivrauchens schwer, weil eine Vergleichsgruppe, die gar nicht vom Rauchen beeinträchtigt ist, praktisch nicht existiert. Weitere indirekte Kosten fallen im Arbeitsleben an: Raucher fehlen öfter wegen Krankheit. Ihre Produktivität ist auch durch stillschweigend geduldete Zigarettenpausen geschmälert. Das irische Bruttosozialprodukt soll 2002 durch rauchende Mitarbeiter um 0,7 Prozent geringer ausgefallen sein. Auf fast 0,8 Prozent kam fünf Jahre zuvor eine ähnliche Studie in Schottland.

Wird bei all dem nicht darauf vergessen, dass der Tabak auch Arbeitsplätze erhält?

Gerade einmal 0,13 Prozent des Bruttosozialprodukts wird EU-weit mit dem Anbau, der Verarbeitung und dem Handel von Tabak erwirtschaftet. Was nicht für Tabakwaren ausgegeben wird, kann der Konsument anders verwenden. Als Nachfragemotor wirkt das Rauchen vor allem, wo es die Tabakbranche lieber nicht erwähnt, nämlich durch Behandlung und Pflege im Gesundheitssektor. (Stefan Löffler, DER STANDARD Printausgabe 27/28.11.2004)