Zu viel Neugierde könne gefährlich sein, meint einer der Protagonisten einmal. Auf die Fragen der Filmemacherin gibt er zwar bereitwillig Auskunft, und er fragt auch gerne zurück. Ein wenig merkt man ihm aber an, dass er hier in der Sommerfrische, auf seinem Sessel vorm Bungalow, lieber ungestört die Zeit verrinnen lassen würde.

Kanegra, ein kleiner kroatischer Ferienort, gibt Katharina Coponys Dokumentarfilm seinen Titel (So, 22.05, 3sat). Seit 20 Jahren unternimmt das Grazer "Beratungszentrum für psychische und soziale Fragen" dorthin Gruppenreisen, an denen Urlauber teilnehmen, die an Krankheiten wie Schizophrenie laborieren.

Copony nutzt diese Auszeit in der Fremde, die von einer tagträumerischen Atmosphäre bestimmt ist, um fünf Reisenden in Gesprächen näher zu kommen. Sie filmt sie meist getrennt voneinander, in entspannten Situationen, die das gemeinsame Reden erleichtern. Die statischen Bildausschnitte geben ihnen genügend Raum, der noch unbelebte Ort vermittelt ihre Isolation.

Gedanklich herausfordernd ist die Sprachwelt, die sich hier auftut. In den Unterhaltungen wird man mit einer Logik konfrontiert, die von wilden Assoziationsketten, akausalen Sprüngen oder stupenden Erwiderungen gekennzeichnet ist. Die Sprache ist in Kanegra nicht nur Mittel des Dialogs, selbst affiziert, offenbart sie un- geahnte Möglichkeiten für den Geist. (kam/DER STANDARD; Printausgabe, 27./28.11.2004)