Die "Farm" ist seit 1999 das Herzstück von B&O. Hier tüftelt man an den neuesten Designkreationen, ...

Bild: B&O

... wie etwa dem jüngsten Musiksystem BeoCenter 2.

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Das legendäre Model "Hyperbo" aus dem Jahr 1934.

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Plakatmotiv aus dem Jahr 1939

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Die Firma ist Luxuskonzern und Stil-Ikone und befindet sich doch am Ende der Welt. Die Geräte von Bang&Olufsen umgibt eine Aura des Besonderen. Eine Reportage aus dem Norden Dänemarks

Um 16 Uhr wird es einsam an der Straßenkreuzung am Ende der Welt. In der norddänischen Kleinstadt Struer kommen die letzten Menschen nach Hause, der Nebel wird zur Nacht, und in den Häusern gehen die Lichter an. Eine Kirchenglocke trägt ihren Ton in die kaltgrüne Hügellandschaft hinaus, dann ist es still, und da ist nur ein Rauschen in der Luft, das man einer versteckten Autobahn zuschreiben würde, wenn das letzte Fahrzeug nicht schon vor zehn Minuten vorbeigefahren wäre.

Nur 200 Meter entfernt vom Wasser des Nordmeers steht die Firmenzentrale des Edelelektroherstellers Bang&Olufsen: zwei längliche Fabrikgebäude aus roten Ziegeln, ein Parkplatz und der 1999 neu gebaute Sitz der Geschäftsführung, die "Farm", wie sie sagen, ein hell erleuchteter Glasquader, der wie eine schicke Lampe auf einem kahl gefegten Tisch steht und leuchtet, in der ewigen Dämmerung Nordjütlands.

Herzstück von B&O ist "die Farm"

Man kann über die Marke B&O und ihre Inszenierung nicht sprechen, ohne auch ein Wort über Norddänemark, "die Farm" und das dazugehörige Lebensgefühl zu verlieren. Das Gebäude ist durchsichtig und steht auf Stelzen. Im Inneren erzeugen unbearbeiteter Beton und raue Holzböden selbst in der totalen Künstlichkeit eine natürliche Aura. Das liegt vor allem daran, dass man nie vergisst, wo man gerade ist. An den Glasscheiben zerlaufen die Regentropfen, dahinter sieht man die herben Grasflächen, ein Krähenschwarm zerpickt den Firmen-Vorgarten, und da stehen tatsächlich auch ein paar Schafe. "Die Natur ist rau hier draußen", sagt Geschäftsführer Torben Sørensen, "die Bäume biegen sich. Es ist ein schöner Ort."

B&O und die Natur, das ist für viele Menschen kein Widerspruch, was eigentlich seltsam ist, schließlich bauen die Dänen Radios und Fernseher und andere elektronische Dinge. Diesen Trumpf spielt die Firma auch im Marketing aus. Bei ihren Produktpräsentationen zeigt sie auf ihren glitzernden Flachbildschirmen gerne Bilder von Farnen, Sonnenuntergängen und Meeresvögeln, dazu rauschen Wasser und Wellen und natürlich Peer Gynt. Die Natur liefert eben die schönsten Bilder. "Unsere Mitarbeiter reisen oft in die Welt hinaus", erzählt Sørensen, "aber dann kommen sie zurück in unsere kalte Oase. Hier kann man besser nachdenken als in der Hektik der Stadt." Es wäre zu einfach zu sagen, die B&O-Lautsprecher seien von einem Baum inspiriert oder ein CD-System vom Rauschen des Meeres, und trotzdem versteht man beim Blick auf die Produktpalette das Bonmot des britischen Designers Jasper Morrison, der in den 80er-Jahren einmal sagte, skandinavisches Design sei so erfrischend wie ein Eisberg.

"Die Welt ist übervoll an Produkten ..."

Da gibt es zum Beispiel den Lautsprecher Beolab 5, der aussieht wie eine Mischung aus außerirdischem Artefakt und Korallenriff. Bereits seit 1970 designt der Engländer Michael Lewis die B&O-Objekte, aber auch er verlässt sich auf die klaren Materialien und bizarren Formen eines Eisbergs: gebürstetes Aluminium, schwarzes Glas, dunkel und hell, heiß und kalt. Torben Sørensen sagt: "Die Welt ist übervoll an Produkten. Nur wenige umgibt die Aura des Besonderen."

Im Multimilliardenmarkt Hi-Fi ist B&O eigentlich eine kleine Firma. Die Dänen beschäftigen 2300 Mitarbeiter und verkaufen von manchen Produkten nicht mehr als 3000 Geräte im Jahr. Und doch gehört der Name zum Basiswissen der westlichen Konsumenten, er hat ein Bild vor Augen, auch wenn er sich die Produkte nie leisten könnte. Die Firma ist Luxuskonzern und Stil-Ikone, sie wurde in einer Bauernscheune gegründet und ist nun in den Villen zu Hause, der Konzern ist regional verwurzelt, hat aber gerade ein paar Hundert Jobs nach Tschechien ausgelagert - und so schwingt die Marke B&O hin und her zwischen zwei Polen, zwischen Schönheit des Objekts und der Obszönität des Preistickets, Heimat und Weltmarkt, Traum und Realität, zwischen Trend und Tradition.

"Als die technischen Grenzen erreicht waren, widmeten sie sich der äußeren Gestaltung der Dinge"

Als Peter Bang und Sven Olufsen im Jahr 1925 beschlossen, ein eigenes Radio zu entwickeln, dachten die jungen Ingenieure wahrscheinlich nicht daran, dass ihre Firma später einmal Geräte herstellen würde, die funkelnde Blicke erzeugen, bevor der Einschaltknopf überhaupt betätigt wurde. Volksempfänger haben sie aber von Anfang an nicht gebaut. "Als die technischen Grenzen erreicht waren, widmeten sie sich der äußeren Gestaltung der Dinge", erklärt der Firmen-Historiker Ronny Mortensen, der im Keller "der Farm" ein kleines Museum betreut. Auf den ausgestellten Werbeplakaten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird das Wörtchen Design noch nicht verwendet, aber schon 1928 bewirbt man "die achte Kunst, die Kunst, die befriedigt".

B&O hat die Designgeschichte mitgeprägt, das New Yorker MoMA hat einige Geräte in seiner ständigen Ausstellung, und 2006 soll ein eigenes Museum in Struer eröffnet werden. Da sollte dann auch das Bauhaus-Modell Hyperbo stehen, das Bang und Olufsen 1934 gebaut haben und das aussieht wie ein Stuhl von Marcel Breuer mit integriertem Radio. "Ein Massenerfolg war das natürlich nicht", sagt Mortensen und klingt beinahe zufrieden. Auf dem dazugehörigen Plakat steht: "Für Menschen, denen Qualität und Design wichtiger ist als der Preis." Der Slogan gilt noch heute. Die Befriedigung des Massengeschmacks ist etwas, das man bei B&O gerne der Konkurrenz überlässt.

"Musik und Filme werden in der Zukunft im Web sein"

Im Jahr 2003 geriet der Konzern trotz seiner kommerziellen Nische in arge Probleme: Der Absatz ging zurück, und der Umsatz brach um fast ein Drittel ein, was weniger an der Weltkonjunktur lag - reiche Menschen gibt es mehr denn je - sondern an der rasenden technischen Entwicklung und der Wirksamkeit der Trendideologie. Innerhalb kürzester Zeit ersetzten vor allem im Hochpreissegment Flachbildschirme mit LCD- und Plasma-Technik die herkömmlichen Kathoden-Röhre. B&O war auf diesen Evolutionssprung nicht vorbereitet und zieht erst jetzt langsam nach. "Wir wollen eine erwachsene Technik und haben deshalb ein bisschen gewartet", sagt Torben Sorensen.

Wie Bilderrahmen hängen die Flachbildschirme jetzt an der Wand. Fast erkennt man sie nicht. Mit den Geräten schrumpfen auch die Möglichkeiten der Designer. "Musik und Filme werden in der Zukunft im Web sein", sagt Torben Sørensen, und glaubt trotzdem nicht, dass das Verschwinden der Tonträger und die Minimierung der Oberfläche ein Problem für die Firma im hohen Norden Dänemarks werden könnte. (Tobias Moorstedt , Der Standard/rondo/26/11/2004)