Pisa steht vor der Tür, und alles läuft schief. Noch bevor die internationale Schülerstudie veröffentlicht ist, gibt es erste Anzeichen für nationale Hysterie. Ausgebrochen in Deutschland, das die schlechten Ergebnisse der Pisa-Studie vor zwei Jahren in eine landesweite Depression verfallen ließ. Nun scheint dieser Erregungsbazillus auf Österreich übergesprungen zu sein. Eine einzige kolportierte Zahl - ein mutmaßliches Abrutschen auf der Leseleistungsleiter von Platz zehn auf Rang 19 - sorgt für heftige Ausschläge auf der öffentlichen und veröffentlichten Erregungskurve. Für die Lesekompetenz der erwachsenen Alarmisten, die sich ohne zitierbares Alarmsignal aufregen, gibt das kein gutes Zeugnis.

Vor allem aber sagt eine aus dem Zusammenhang gerissene Platzierung nichts aus über Lesefähigkeiten, Kenntnisse in den Naturwissenschaften und den Schwerpunkt von Pisa 2003, die Mathematikkompetenzen der österreichischen Kinder. Wie aussagekräftig ist ein Vergleich zwischen Platz 19 unter 41, wenn im Vorjahr Platz zehn von 30 erreicht wurde?! Dieses Ranking ist ein Problem bei der qualitativ und methodisch unumstrittenen Studie. Denn Rangzahlen lassen sich immer trefflich instrumentalisieren - als Signum der Großartigkeit des heimischen Schulsystems oder als Fanal einer verfehlten Bildungspolitik. Beides trifft die wirkliche Problematik nicht.

Relevant ist nämlich nicht so sehr die Rangelei um die besten Ränge oder die lächerliche Frage, ob wir eh vor Deutschland liegen. Bildungspolitisch viel wichtiger sind innerösterreichische Analysen der Ergebnisse. Welche Kinder schneiden aus welchen Gründen schlechter ab als andere? Wie hängen soziale Herkunftsmilieus und Schülerleistungen zusammen? Das sind die großen Herausforderungen für die Bildungspolitik. Dafür kann Pisa wichtige Erkenntnisse liefern. Hysterischer Zahlenfetischismus hilft niemandem. Genaues Lesen der Studie schon. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.11.2004)