Nein, die Idee zu dem Möbel kam Martina Kreiner nicht im Wirtshaus, beim Bau von Bierdeckelhäuschen. Die Raumnot in London, wo die gebürtige Tirolerin lebt, war der Designerin Ansporn, emsig nach einer Lösung für einen Raum im Raum zu suchen. Ursprünglich dachte die Gestalterin, die auch als Innenarchitektin arbeitet, an etwas Aufblasbares, schon bald aber ging ihr diesbezüglich die Luft aus. Kurzfristig sollte dann formal die Zigarettenschachtel Pate stehen, die finale Inspiration für ihr Falt-Klapp-Möbel erfuhr die 30-Jährige aber von der Muschel und dem Einsiedlerkrebs, sozusagen dem evolutionären Meister in Sachen mobiler Architektur.

"Hermit", so der Name des im wahrsten Sinne des Wortes vielseitigen Möbels, soll allerdings nicht nur in den eigenen vier Wänden funktionieren. Wie sein Namensgeber, der Einsiedlerkrebs (im Englischen Hermit-Crab), soll der Benutzer mit diesem Objekt auf Wanderschaft durch vor allem urbane Gebiete gehen. Hilfreich sind dabei zwei Tragegurte, die die Möglichkeit schaffen, "Hermit" gleich einem Rucksack auf dem Buckel zu tragen.

Aufgeklappt - laut Kreiner verstehen sogar Leute mit zwei linken Händen diesen Zustand zu bewerkstelligen - offeriert "Hermit" seine Dienste als Arbeitspult, Esstisch, als Liegebett, Tischplatte oder Nachdenkmöbel. Und was Martina Kreiner besonders wichtig ist: Ihr "Hermit" ist ein geselliges Kerlchen und umgibt sich gern mit Seinesgleichen, um so ganze "Hermit-Möbelensembles" zu bilden.

Sieben Kilo wiegt das gute Stück der Martina Kreiner, die für den Büromöbelhersteller Bene oder die englische Innenarchitektin Leila Corbett arbeitete. Funktionieren tut's mithilfe von Dibond, einer Sandwichkonstruktion, bei der eine Schicht Polypropylen zwischen zwei Aluminiumplatten liegt und so für perfekte Faltbarkeit sorgt. Kreiner sieht hierbei eine enge Verwandtschaft zwischen der Materialrecherche und -auswahl und dem Wesen dieses modernen Objekts, dem ihre Forschungsarbeit im Bereich Großstadt- leben und Materialentwicklung zugute kommt.

Polster für den nötigen Komfort liegen auf, und ausschauen tut's auch sehr fesch, das Möbel der Designerin, die am Chelsea College of Art & Design sowie an der London Guildhall University studiert hat. Fehlt nur noch ein produzierender Unternehmer, der "Hermit" in Sachen Flexibilität und Mobilität um nichts nachsteht, denn den hat die Designerin so nötig wie städtische Nomaden sinnvoll nutzbaren (Er)lebensraum.

Infos: Tel. 0044/7906 569560 oder m-nest
(DERSTANDARD/rondo/maik/19/11/04)
Fotos: Martina Kreiner