Dirty Laundry
(Trikont/Hoanzl)

Foto: Trikont
Foto: Trikont

Rein ideologisch betrachtet treffen hier zwei Welten aufeinander, von der zumindest die eine von der anderen nichts wissen wollte - außer ob sie auf dem Feld ihre schlecht bis gar nicht bezahlte Arbeit auch brav erledigt hatte: schwarzer Rhythm 'n' Blues und weiße Countrymusic. Doch Ideologien kranken bekanntlich nicht nur an Kurzsichtigkeit. Obwohl sie angeblich für das Heil der Menschen antreten, beweist schon diese Anmaßung, wie wenig Ahnung und Verständnis solche "Heilsbringer" für die real existierenden Bedürfnisse Erstgenannter haben. Deshalb scheitern sie. Dieser Irrtum führte beim hier besprochenen Thema dazu, dass die Separation zwischen weißer und schwarzer Musik nicht so gut funktionierte wie bei den getrennten öffentlichen Waschanlagen, den Bus- oder Restaurantplätzen im amerikanischen Süden in der Zeit vor und während der Bürgerrechtsbewegung.

Es gab aber Künstler, denen derlei Trennungsbestrebungen immer egal waren. Dan Penn etwa gilt als einer der bedeutendsten Songwriter und Interpreten des Southern Soul und ist weiß. Ebenso sein Kompagnon Spooner Oldham oder ähnlich gelagerte Musiker wie Donnie Fritts, Larry John Wilson, die mit Country und schwarzer Musik, sei es Gospel oder sein weltlicher Bruder, der Rhythm 'n' Blues, aufgewachsen sind. Country Got Soul, eine mittlerweile in Fortsetzung befindliche Reihe, kompiliert von dem Dub-Country-Fusionierer Jeb Loy Nichols von den Fellow Travelers, versammelt überzeugende Belege für die emotionale Tiefe weißer Südstaatenmusik, die man klischeehafterweise sonst nur dem "schwarzen Mann" zuschreibt.

Mit Dirty Laundry - The Soul Of Black Country nimmt sich der Münchner Journalist und Black-Music-Spezialist Jonathan Fischer nun von der anderen Seite des Themas an: Soul-Men im Stetson, Soul-Women mit Sporenstiefeln (und nicht viel mehr!), die den Spuren von Hank Williams und Co, also der Soulmusik des "weißen Mannes" folgen. Dabei spannt Fischer den Bogen vom edlen Saloon-Soul einer Ella Washington über Klassiker des Fachs wie Candy Statons Interpretation von Stand By Your Man bis hin zu kaum bekannten Adaptionen wie etwa Stoney Edwards' She's My Rock. Eines Mannes, der zum Verwechseln leicht als Redneck durchgehen könnte. Ein Klassiker auf seine Art. Denn Verwechslungen und Verwirrungen gab es an der Schnittstelle dieser beiden Musiken immer schon. Der "King of Rock and Soul", der hier mit dem emphatischen I Can't Stop Loving You vertretene Solomon Burke, erzählte einst, dass er mit seiner Band in den frühen Sechzigerjahren für eine Ku- Klux-Klan-Veranstaltung gebucht wurde, weil die verantwortlichen Idioten dachten, Burke sei so weiß wie ihre dämlichen Kapuzen.

Die bewegendsten Ergebnisse dieser Sammlung sind jedoch jene, bei denen das Songmaterial aus der Welt Old Shatterhands stammt, die Arrangements jedoch Soul sind. Etta James' Almost Persuaded ist so ein Fall. Das lose Geklimper des Pianos wird von einer fetten Hammond Orgel geerdet, während die göttliche Etta Lasso schwingend dazu schmachtet. Weiters vertreten: Curtis Mayfield mit dem titelgebenden Dirty Laundry, Goldkehlchen Johnny Adams mit In A Moment Of Weakness, einer Nummer, die Ry Cooder auswendig kennen dürfte, oder Saubartl Andre Williams mit dem in Schräglage daherstolpernden Jet Black Lilly White Mama. Anhand zweier Dutzend Argumente überzeugt Fischer vollkommen. Soul und Country reiten glücklich vereint in den Sonnenuntergang.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.11.2004)