In Tschechien wird am Mittwoch des 15. Jahrestages der Unterdrückung einer friedlichen Studentendemonstration gedacht, die am 17. November 1989 das Ende des kommunistischen Regimes in der damaligen Tschechoslowakei einläutete.

Eigentlich wollten die etwa 15.000 Teilnehmer der damaligen Kundgebung des fünfzigsten Todestages des Studenten Jan Opletal gedenken, der 1939 während einer Protestkundgebung von den Nazis erschossen wurde. Doch nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung wurde ein Großteil der Teilnehmer von Provokateuren der kommunistischen Geheimdienstes auf die Prager Narodni-Straße geführt, wo sie von Eingreiftrupps der Polizei niedergeknüppelt wurden. Erst einige Tage später, als aus Protest gegen das brutale Vorgehen im ganzen Land Kundgebungen stattfanden und der politische Umbruch sich zu vollziehen begann, wurde ersichtlich, dass es an jenem 17. November 1989 zu einem Show- down rivalisierender Gruppen innerhalb der kommunistischen Partei kommen sollte und die Studenten im Rahmen dieser Auseinandersetzung missbraucht wurden.

Die Welle der Solidarität der Bevölkerung mit den Studenten überraschte das morsche Regime, das in den folgenden Tagen völlig die Kontrolle über die weitere Entwicklung im Land verlor und sich später zu Gesprächen mit der Opposition bereit erklärte.

Laut verschiedener Umfragen bewerten heute etwa 80 Prozent der Tschechen die Entwicklung in den vergangenen 15 Jahren als weit gehend positiv. Nur ein Fünftel der Befragten vertritt die Ansicht, die Zeit vor '89 wäre besser gewesen. Obwohl also über die Wichtigkeit des 17. November 1989 unter den Tschechen kein Zweifel besteht, wird vonseiten der offiziellen Vertreter des Landes dieses Tages nicht im Rahmen eines gemeinsamen Festakts gedacht.

Umbruch aus US-Sicht

Die beiden Parlamentskammern werden auf gesonderten Sitzungen dieses Tages gedenken und auch jene beiden Politiker, die bisher das Amt des tschechischen Staatschefs innehatten – Václav Havel und Václav Klaus – werden an diesem Tag getrennte Wege gehen.

Der Dramatiker und Bürgerrechtler Václav Havel, der in den Tagen nach dem 17. November 1989 schnell zur Galionsfigur der Demokratiebewegung und später zum Präsidenten gewählt wurde, machte bereits den Auftakt, als er vergangenen Freitag seine vor kurzem gegründete Präsidentenbibliothek der Öffentlichkeit vorstellte. Passend zum Thema der politischen Wende präsentierte Havel dort eine Sammlung von Depeschen der amerikanischen Botschaft vom Herbst 1989, die den politischen Umbruch aus der Sicht von US-Diplomaten schildert, wobei viele von deren damaligen Prognosen sich später als richtig erwiesen. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.11.2004)