Wien - "Untypisch für das Jüdische Museum" seien die beiden aktuellen Ausstellungen, meinte Direktor Karl-Albrecht Weinberger bei der heutigen Pressekonferenz zu "Die Liebens. 150 Jahre Geschichte einer Wiener Familie" (11. 11. bis 3. 4.), und "Alexander Rodtschenko - Moskau" (11. 11. bis 12. 12). Noch nie habe man eine Familie im Jüdischen Museum dokumentiert. Im Fall der Fotoschau mit Arbeiten des russischen Avantgardisten habe man das Angebot des Moskauer Hauses der Fotografie zur Kooperation angenommen, und leiste damit einen Beitrag zum derzeitigen "Monat der Fotografie".

Seit Dienstag dürfen sich Wissenschafter aus Österreich und seinen südöstlichen Nachbarländern nach fast siebzigjähriger Pause wieder alljährlich auf den mit 18.000 Dollar (14.113 Euro) dotierten Ignaz L. Lieben-Preis freuen. Von 1863 bis 1937 galt die Auszeichnung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften als "österreichischer Nobelpreis". Ihrem Begründer, Ignaz L. Lieben (1805 - 1862), und dessen Familie, bestehend aus Kaufleuten, Bankiers, Salondamen, Wissenschaftern, Erfindern und Künstlern, ist die Schau gewidmet. Die Liebens gehörten zu den bedeutenden Wiener großbürgerlichen Familien, die über mehrere Generationen das Leben der Stadt prägten. Während die Vorväter noch um die "Toleranz" in Wien ansuchen mussten, um das Wohnrecht zu erhalten, gehörten deren Nachkommen bereits zur gesellschaftlichen Elite.

Im Spiegel der Geschichte

Die Ausstellung beleuchtet das Schicksal der Liebens im Spiegel der österreichischen Geschichte von der Zeit des Vormärz bis zur Gegenwart. Sie beginnt chronologisch mit Ignaz L. Liebens Übersiedlung von Prag nach Wien. Architektonisch ist die Schau aufgebaut "als Einladung, zu Besuch bei der Familie Lieben zu sein", so die Kuratorin Evi Fuks bei der Presseführung. Im ersten Raum sind zunächst dicht gedrängt als Standbilder vergrößerte Fotos und Gemälde von Familienmitgliedern zu sehen. Die weiteren Räume sind als "Salon" mit Stühlen konzipiert, wobei die Ausstellungsstücke in den Vitrinen jeweils Themen wie "Innen- und Außenperspektiven", "Wissenschaft und Mäzenatentum", und "Verfolgung durch die Gestapo" zugeordnet sind.

Heute leben die Liebens verstreut über die ganze Welt, nachdem die Nazis jene, die nicht verhaftet und in Konzentrationslager deportiert wurden, zur Flucht gezwungen hatten, nicht ohne das Vermögen zu beschlagnahmen. Nach der Zerschlagung des NS-Regimes kehrten nur wenige Emigranten nach Wien zurück, unter ihnen Fritz Lieben. Der heutige Sponsor des wieder errichteten Lieben-Preises, Alfred Bader, ist zwar nicht verwandt mit den Liebens, teilte jedoch deren Schicksal der Vertreibung aus Österreich.

Foto-Avantgardist

Alexander Rodtschenko (1891 - 1956) ist einer der wichtigsten Vertreter der russischen Avantgarde. Im Jüdischen Museum werden Fotoarbeiten zwischen 1925 und 1932 gezeigt, die Ansichten von Moskau darstellen. 1932 beauftragte der Verlag "Isogis", der Fotobildbände und die Zeitschrift "Die UdSSR auf der Baustelle" herausgab, den Künstler, Designer und Fotografen Rodtschenko mit Aufnahmen von Moskau. Die Aufnahmen erschienen als Postkartenserie, eine der ersten autorisierten Fotoserien in der Geschichte der sowjetischen Fotografie.

Die Schau versucht, "Rodtschenko nicht als Person der Kunstgeschichte, sondern als Zeitgenossen darzustellen", so Kurator Thomas Geisler bei der Pressekonferenz. Die Fotos sind in einem kleinen Raum neben der Hauptausstellung zur Familie Lieben zu sehen, der rot beleuchtet an das Licht in einer Dunkelkammer erinnert. Die meisten Bilder hängen nicht an der Wand, sondern befinden sich in mit Wasser gefüllten Wannen, so wie man sie zur Entwicklung der Negative verwendet. Geisler: "Wir wollten versuchen, Rodtschenkos Geist wieder ins Leben zu rufen, und den Anschein erwecken, als ob er gerade kurz hinaus gegangen wäre." (APA)