Island
Tim Macmillan, 2000
(14.11., 20:30)

Foto: Filmmuseum

"Es geht darum, auf die Seen zu blicken, auf den Himmel und wie das Licht vom Wasser reflektiert wird"
James Benning über
13 Lakes
(21.11., 20:30)

Foto: Filmmuseum
Landschaften, die man durchmessen und in denen man sich auch selbst vergessen kann, thematisiert eine ambitionierte Retrospektive im Österreichischen Filmmuseum: "Moving Landscapes".


Wien - Die erste Einstellung von Gus van Sants Gerry zählt zu den unvergesslichen Eröffnungen des Kinos: Ein Auto ist auf einer Landstraße im Südwesten der USA unterwegs.

Die Kamera ist in der Position des Lenkers, die Musik von Arvo Pärt legt eine ganz sanfte Klangspur. Später filmt van Sant das Auto von hinten, manchmal schließt er beinahe dazu auf, dann entfernt es sich wieder. Beinahe scheint diese Bewegung bereits zu genügen, dann kommt aber doch noch der Schnitt auf die beiden jungen Männer, die on the road sind. Sie heißen beide Gerry. Wenig später machen sie Halt am Straßenrand, gehen ein Stück einen Naturpfad entlang, und dann finden sie nicht mehr zurück.

Gerry handelt von einer Odyssee durch das Death Valley. Das Tal wird dabei immer mehr zu einer mythischen Landschaft, in deren Zentrum eine nahezu abstrakte Fläche erscheint - die Salzwüste. Es ist einer der Filme, die das Österreichische Filmmuseum ab heute bis Ende November in einer Reihe mit dem Titel Moving Landscapes zeigt.

Und die Bewegung, von der in dieser Überschrift die Rede ist, ist eine zweifache: Es gibt Landschaften, die durchmessen werden von Pionieren (wie in John Fords Wagon Master, in dem eine Gruppe Mormonen nach Utah zieht) oder von Aussteigerinnen (wie in Alain Tanners selten zu sehendem Messidor, mit dem die Reihe eröffnet wird).

Es gibt aber auch Landschaften, deren Bild erst bewegend wird. Die beiden Formen der Bewegung schließen einander keineswegs aus, wie man an Im Lauf der Zeit von Wim Wenders sehen kann, einer Deutschlandreise, die kulturelle und landschaftliche Reichtümer gleichsam abseits der geläufigen Wegstrecken findet. Landschaft erscheint als ein neutraler Begriff, aber das Gegenteil ist richtig: Auch dort noch, wo unberührte Natur vor der Kamera erscheint, hat die kulturelle Besetzung schon stattgefunden.

Gerry erscheint wie ein spätes Echo auf Roberto Rossellinis Stromboli, in dem der Vulkan auf einer der Liparischen Inseln zum Ort einer Erfahrung wird, die mit Natur wenig, viel aber mit Formen des Zusammenlebens zu tun hat. Bei Gus van Sant dient der exponierte Schauplatz dann allerdings doch dazu, eine Männerfreundschaft auf ihre innerste Energie hin zu erforschen. Die beiden Gerrys sind einander fast zu ähnlich, als dass Intimität nicht in eine Form von Konkurrenz umschlagen würde.

Mysterium, Mythos

Das Kino - wie die Kultur allgemein - kennt Landschaften, aus denen jemand hervorgeht, und Landschaften, in die man verschwinden kann. Peter Weirs mysteriöser Picnic at Hanging Rock (1975) erzählt vom Verschwinden dreier Mädchen bei einem Ausflug am Valentinstag im Jahr 1900. Die gut behüteten Schülerinnen in ihren weißen Kleidern überqueren an diesem Tag eine mythische Grenze, die niemals genau bezeichnet wird. Der australische Busch wird zur Projektionsfläche.

Umgekehrt ist die Südsee in Terrence Malicks Kriegsfilm The Thin Red Line ein Paradies, das inmitten heftigster Kämpfe ein pantheistisches Gefühl hervorrufen kann.

Kraft seiner fotografischen Potenz war das Kino immer in Versuchung, Landschaften mit zu viel Bedeutung aufzuladen. Mit wenigen ideologischen Manövern kam man zu heiligen Bergen und blühenden Weiten. Dagegen halten Filmemacher der Avantgarde eine Tradition der Moderne aufrecht, die ein Bild nicht sofort als Zeichen begreift, sondern als Anordnung.

Der Amerikaner James Benning ist mit seinen klar strukturierten Filmen in Wien seit vielen Jahren gut bekannt. 13 Lakes beruht auf einer einfachen Idee: "Es geht darum, auf die Seen zu blicken, auf den Himmel und wie das Licht vom Wasser reflektiert wird - und das an dreizehn verschiedenen Orten in den USA." In ähnlicher Weise dokumentiert Benning in Ten Skies den Himmel vom Garten seines kalifornischen Hauses aus. Zur Uraufführung von Ten Skies wird James Benning persönlich nach Wien kommen - ein Landschaftsmaler im technischen Zeitalter. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.11.2004)