Illustration: Der STANDARD/Oliver Schopf

Die stressigen Tage in Österreich sind jetzt für Reinhard Heinisch erst einmal vorbei. Er wurde von einer Nachrichtensendung zur anderen herumgereicht, weil er erstens Politikwissenschafter ist, zweitens gebürtiger Österreicher und drittens seit 20 Jahren in den USA lebt. Diese Eckpunkte in seiner Biografie qualifizierten ihn als Experten dafür, die Wahl zwischen dem Republikaner George Bush und dem Demokraten John Kerry für den ORF und den STANDARD zu kommentieren.

Er sei ein bisschen "ein Zerrissener", meint der 41-Jährige, der in Villach aufgewachsen ist. In den USA sei er zum "überzeugten Europäer" geworden - in die USA wollte er nie und überzeugter Österreicher ist er bis heute keiner. All die Klischees über Amerika hier in Österreich, und umgekehrt: "Hier der dumme, kulturlose Barbar, der nichts Gescheites isst und Waffen mag", und dort, in Österreich, "Haider, die Nazis". Es sei schon schwierig, dieses Bild zurechtzurücken. Aber es ist ihm ein Anliegen, es zu tun.

Er habe nie den Gedanken gehabt, er müsse auswandern, erzählt er. Aber über ausgedehnte Reisen nach Nicaragua oder Russland, die er schon während seines Studiums (Politologie, Spanisch und Englisch) in Wien machte, führte ihn der Weg über ein Stipendium (1986) der Fulbright Commission zuerst nach Virginia, später nach Michigan. Dort schloss er 1994 das Doktorat ab. Er kehrte allerdings nach Österreich zurück, weil er damals mit dem Leben in den USA nicht sehr glücklich war.

1996 ging Politikwissenschafter Heinisch ein zweites Mal in die Staaten. Diesmal an die University of Pittsburgh in Johnstown. Sie gehöre zu den Top Twenty unter den US-Universitäten, sagt Heinisch. Und da klappte es mit dem glücklichen Leben. Seine Frau, Cvetka Lipus, in Slowenien geborene Kärntner Schriftstellerin, übersiedelte mit. Pittsburgh "ist eine der schönsten Städte der USA, eine Mischung aus Passau und New York", beschreibt Heinisch. Er und seine Frau seien "passionierte Cineasten", zweimal die Woche genießen sie die "tolle alternative Kinoszene" und Filme wie "Die Klavierspielerin" und "Supersize Me", oder aber die Werke von Regisseuren wie Quentin Tarantino, Jean-Luc Godard oder des 1996 verstorbenen Polen Krzysztof Kieslowski.

Heinisch ist heute Professor an einem der größten EU-Forschungszentren in den USA, er unterrichtet vergleichende Politikwissenschaft an der Universität Pittsburgh und ist Direktor an einem Studienzentrum in Johnstown. Er schätzt das amerikanische Universitätssystem und die damit verbundene Haltung, dass Universitätsprofessoren nach dem Prinzip arbeiten "Was brauchst du - als Student - für deinen Erfolg?". Das ergebe eine "Superbetreuung". Internationale Studienprojekte sind in dem System selbstverständlich, wie jenes von ihm betreute in Bolivien, im Dorf Vinto.

Dorthin ist einmal die ganze Studienklasse gereist, um vor Ort zu lernen und ein Maurerprojekt mit der indianischstämmigen Bevölkerung auf die Beine zu stellen. Für Reinhard Heinisch blieb die Freundschaft zu einem Vater aus Vinto, für dessen zwei Kinder er Pate wurde. So wurde er zum "Familienonkel", der für ein paar Wochen mit "in der Lehmhütte wohnt und sich am Trog hinter dem Kuhstall wäscht". (Andrea Waldbrunner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6./7. 11. 2004)