Foto: V&A Museum London
Foto: V&A Museum London
Foto: V&A Museum London
Renommierte britische Künstler, Schriftsteller und Musiker beschreiben detailgetreu und mit kaum unterdrückter Begeisterung ihre eigenen, ständig wechselnden Frisuren, neben denen sogar die Haarexperimente von Style-Chamäleon David Beckham verblassen. Das ist deshalb kein ungewöhnliches Szenario, weil die kreativen Frisurenfans afrikanische oder afrokaribische Wurzeln haben und für eine Minidokumentation interviewt wurden, die Teil von "Black British Style" ist, einer Ausstellung des Victoria & Albert Museum in London.

Der afrobritische Stil beschränkt sich natürlich nicht nur auf Dreadlocks, Afros und kunstvoll geflochtene Zöpfchen. Die V & A-Kuratoren Carol Tulloch und Shaun Cole haben das rechtzeitig zur afrikanischen Welle auf den internationalen Laufstegen erkannt und präsentieren mit der Mode der schwarzen britischen Bevölkerung eines der interessantesten soziologischen Fashionphänomene der vergangenen 50 Jahre.

Dass der Black British Style erst jetzt museale Anerkennung findet, ist verwunderlich. An der optischen Unauffälligkeit seiner Anhänger kann es wirklich nicht liegen. Denn obwohl die Black British Community und ihre modischen Präferenzen äußerst heterogen sind, erkennt man in der Ausstellung genauso wie auf den Straßen des Südlondoner Brixton oder Ostlondoner Dalston, dass durchschnittliche Afrobriten Mode ganz und gar nicht als notwendiges Übel betrachten.

Outfits und Styling sind zeitaufwändig, detailverliebt, auf Hochglanz poliert - und vor allem auffällig. Und so sehr sich um protzigen Goldschmuck angereicherte Designersportswear im HipHop-Look auch von leuchtend bunten nigerianischen Roben mit passenden imposanten Kopfbedeckungen unterscheidet, modische Mauerblümchen machen einen meilenweiten Bogen um beide Black Style Ausprägungen.

Neben beeindruckenden original-afrikanischen Gewändern, die für deren Träger oft ein Stück der alten Heimat symbolisieren, und der globalen HipHop-Streetwear - ein Teil von Rapper Goldies teurer Turnschuhsammlung ist ein Highlight der Londoner Ausstellung - machen die Kuratoren Tulloch und Cole auch auf weniger offensichtliche Varianten des Black British Style aufmerksam. Ganz zu Beginn der Ausstellung sieht man etwa ein Kurzvideo aus den 50er-Jahren, das karibische Einwanderer bei ihren ersten Schritten auf britischem Boden zeigt. Obwohl sie direkt vom Boot kommen, sind ihre tadellos-teuren Kostüme und Anzüge absolut knitterfrei.

An einem ganz gewöhnlichen Sonntagvormittag in einem typischen Londoner Supermarkt sieht man normalerweise mindestens eine Gruppe von Afrobriten, die sich, obwohl sie aussehen, als wären sie auf dem Weg zu einem Royal Wedding, wahrscheinlich nur nach dem Kirchenbesuch mit Kaffee und Kuchen eindecken. Daher durfte auch der "Church Chic" in der V & A-Exhibition nicht fehlen. Fantastisch bunte Hutkreationen und perfekt gestylte Outfits zeigen, dass auch bei moralisch einwandfreiem, bravem Dresscode der Glamourstandard hoch ist. Sogar Angehörige der schwarzen "Nation of Islam"-Bewegung beten mitunter mit übergroßen Goldohrringen in Halbmondoptik.

Jeder noch so kleine Schritt auf der Karriereleiter wird optisch zur Schau gestellt

Aber auch eine leicht veränderte Version des britischen Understatements ist bei manchen Afrobriten laut Tulloch und Cole an der modischen Tagesordnung. Immerhin signalisieren klassische Savile-Row-Anzüge und edel-konservative Labels wie Burberry - kombiniert mit Hemden, Krawatten oder Schuhen, die für den herkömmlichen englischen Gentleman etwas zu bunt wären - finanziellen Erfolg und gesellschaftliches Ansehen.

Der afrobritische Stil ist nicht zuletzt deshalb so vielfältig und interessant, weil oft jeder noch so kleine Schritt auf der Karriereleiter optisch zur Schau gestellt wird. Boxlegende Chris Eubank, der sich bei Presseterminen kleidete wie ein englischer Lord, erinnert sich beim Interview für das V & A deshalb noch so genau an seinen ersten Burberry-Trenchcoat, weil er nach dem Kauf das Gefühl hatte, es endlich geschafft zu haben.

Umgekehrt grenzten sich viele junge Afrobriten besonders während der "Black is Beautiful"-Zeiten der 60er und 70er bewusst vom weißen Mainstream ab, um gegen Rassismus zu protestieren und sich gleichzeitig über ihr Aussehen als "Black British" zu definieren. Afrofrisuren auf Foto, Film und T-Shirts und verschiedene Rastafari-Outfits beleuchten in der "Respect Yourself"-Sektion diesen modepolitischen Aspekt des Black British Style.

Obwohl die Kuratoren verschiedenste Variationen der afrobritischen Mode genau untersucht haben, um ein möglichst breites Stil-Spektrum zu präsentieren und Stereotypisierungen zu vermeiden, geht es bei "Black British Style" nicht nur um wissenschaftliche Analyse und soziologische Erkenntnis. Zum einen wurde das erreicht, indem man immer wieder Afrobriten von der Straße zu Wort kommen ließ. Zum anderen haben Tulloch und Cole auch das Glamour-Potenzial ihrer Ausstellung erkannt. Stylisten wurden darum gebeten, coole Outfits zusammenzustellen, die bei von Roots Reggae bis Ms. Dynamite reichender Musikuntermalung bestaunt werden können.

Im unmittelbar an die Ausstellungsräume anschließenden Museumsshop können neben den üblichen Büchern und Postkarten auch besonders viele flashige HipHop-Hütchen und afrikanische Ethno-Accessoires gekauft werden. (DERSTANDARD/rondo/Britta Burger/05/11/04)