STANDARD: Konnten Sie in Kolumbien selber drehen?
Joshua Marston: Das hatten wir ursprünglich vor - wir fanden einen kleinen Ort, den wir mochten, und hatten Beziehungen zu einheimischen Filmemachern aufgebaut. Aber dann kamen die Präsidentschaftswahlen, und in deren Vorfeld erhitzte sich die Atmosphäre. Die Versicherung machte Schwierigkeiten, so mussten wir schließlich nach Ecuador ausweichen. Das war erst mal sehr enttäuschend für mich, denn ich wollte eine bestimmte Authentizität haben, da ich selbst kein Kolumbianer bin. Mir war es wichtig, dass jede Figur, die in dem Film etwas auf Spanisch sagt und Kolumbianer sein soll, auch von einem Kolumbianer gespielt wird.
STANDARD: Haben Sie denn in Kolumbien selber gecastet?
Marston: Nicht nur - das Problem war, dass kolumbianische Schauspieler ihren Lebensunterhalt mit Soap-Operas bestreiten und eine entsprechende Spielweise haben - am Ende fand ich immerhin einen Darsteller, der keine schlechten Schauspielgewohnheiten hatte. Deshalb hatten wir ein zweites Castingteam in Kolumbien, das hielt Ausschau nach Non-Professionals. Es bestand aus vier jungen Filmemachern, die selber Kurzfilme mit Laiendarstellern in Randbezirken gedreht hatten.
STANDARD: Die Tatsache, dass Kuriere Drogen in ihrem Magen transportieren, ist allgemein bekannt, spielte aber bisher in Drogenfilmen keine große Rolle . . .
Marston: In dem BBC-Fernsehmehrteiler Traffik kam es in einer kurzen Sequenz vor - und das Hollywood-Interesse bei Geschichten über Drogenschmuggel liegt eher beim Dramatischen: Es soll ein bisschen sexy aussehen, aufregend und gewalttätig. Bei dieser Art des Drogenschmuggels jedoch geht es um Schlucken und Scheißen, das gibt auf der Leinwand nicht so viel her.
STANDARD: Könnte es damit zusammenhängen, dass Kuriere keine US-Amerikaner, sondern eher Lateinamerikaner sind?
Marston: Schauen Sie sich nur die Kolumbianer an, die in Hollywood-Filmen auftauchen, wenn es um Drogenschmuggel geht. Dagegen wollte ich die Geschichte einer Figur erzählen, die es normalerweise nicht auf die Leinwand schafft, eine marginalisierte Stimme. Dies ist eine Geschichte, die auf einer persönlichen Ebene beschreibt, warum jemand so etwas macht, eine Geschichte, die dieser Figur Sympathien entgegenbringt. Für die Politiker, die solche Personen einfach nur ins Gefängnis werfen wollen, ist das natürlich ein Affront. Deren Lösung lautet: neue Gefängnisbauten und die Anschaffung von mehr Hubschraubern zur Überwachung.
STANDARD: Wie haben Sie die Geschichte recherchiert?
Marston: Zum einen ging ich in Gefängnisse und sprach mit Leuten, die geschluckt hatten. Weil die sehr froh sind, mit jemandem sprechen zu können, öffneten sie sich mir. Jeder von ihnen hat eine eigene Geschichte: In einem Gefängnis in Pennsylvania traf ich einen Mann, der ungefähr in meinem Alter war, er hatte eine vierjährige Tochter und seine Frau war schwanger mit einem zweiten Kind, als er sich dazu entschloss, Drogen zu schmuggeln. Natürlich könnte man alle diese Geschichten in zwei Sätzen zusammenfassen und sagen, "Was für ein schlechter Mensch, was für ein schlechter Vater!". Aber als wir uns anhörten, was es bedeutet, achtzehn Monate lang arbeitslos zu sein, weil man schon über vierzig Jahre alt war - das lässt dich die Komplexitäten verstehen, warum jemand zum Drogenkurier wird.