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Der Jubel in der Hauptstadt Montevideo war groß, Wahlsieger Vázquez sprach von einer "magischen Nacht" und rief: "Feiert, Uruguayer, feiert!"

Foto: REUTERS/Enrique Marcarian
Uruguay hat einen historischen Machtwechsel vollzogen: Zum ersten Mal in der Geschichte wird ein linker Präsident das südamerikanische Land regieren. Bei einem Auszählungsgrad von nahezu 100 Prozent siegte der Präsidentschaftskandidat des Linksbündnisses Frente Amplio, Tabaré Vázquez, am Sonntag bereits in der ersten Runde mit 50,6 Prozent der Stimmen. Mit 34,3 Prozent landete der Kandidat der liberalen Blanco-Partei, Jorge Larranaga, abgeschlagen auf dem zweiten Platz.

In der Hauptstadt Montevideo feierten am Abend mehrere Zehntausend Anhänger mit den rot-blau-weißen Parteifahnen vor dem Hotel Präsident - der Wahlkampfzentrale des Frente Amplio. Es war der dritte Versuch des 64-jährigen Arztes, das Präsidentenamt zu erobern.

"Ich werde euch nicht enttäuschen"

Kurz vor Mitternacht wandte sich Vázquez freudestrahlend an die ausgelassene Menge. "Ich werde euch nicht enttäuschen", versprach er. Außerdem rief er zur Mäßigung und Toleranz gegenüber den Unterlegenen auf. Vázquez hat nicht ausgeschlossen, auch die Opposition in die Regierung einzubinden, um seinen politischen Wandel auf eine breite Basis zu stellen. Nötig hätte der neue Präsident das nicht, da er im Parlament über eine absolute Mehrheit verfügen wird.

Zwar zählt Uruguay in Lateinamerika noch immer zu den Ländern mit der gerechtesten Einkommensverteilung und der geringsten Korruption. Dennoch wird es Vázquez nicht einfach haben. Eine fünfjährige Rezession und die schwere Finanzkrise von 2002 haben den Bankensektor der einstigen "Schweiz Südamerikas" praktisch vernichtet und fast eine Million Menschen (ein Drittel der Bevölkerung) in Armut gestürzt. Ihnen hat Vázquez ein Soforthilfeprogramm versprochen, das ärztliche Assistenz, Nahrungsmittelhilfe und bessere Bildung umfasst.

Verbrechen der Militärdiktatur

Unklar ist jedoch, woher das Geld dafür kommen soll: Das Land ist mit mehr als 13 Milliarden Dollar im Ausland verschuldet. Das ist mehr, als der Agrarstaat im Jahr erwirtschaftet. Der zukünftige Wirtschaftsminister Danilo Astori hat bereits verkündet, dass die Regierung umgehend mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein Umschuldungsprogramm verhandeln will.

Ein heißes Eisen wird auch die Aufklärung der Verbrechen der Militärdiktatur 1973-1985 sein. Wegen einer per Volksbefragung abgesegneten Amnestie wurden die Folterer bisher nicht belangt.

Der Frente gilt zwar als gemäßigt, aber Washington dürfte das Resultat trotzdem missfallen. Denn damit konsolidiert sich die Achse der linken Regierungen in Lateinamerika, die von Kuba über Venezuela bis nach Chile, Argentinien, Brasilien und nun Uruguay reicht. Gemeinsam ist ihnen ein manchmal antiamerikanischer Nationalismus, eine stärkere Intervention des Staates in der Wirtschaft und eine kritische Haltung gegenüber der US-Freihandelsideologie. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2004)