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Extreme Ansichten: FN-Parteichef Jean-Marie Le Pen (li.) und sein Stellvertreter Bruno Gollnisch auf dem Parteikongress im April 2003 in Nizza.

Foto: EPA/AFP / JACQUES MUNCH
Bruno Gollnisch hat sich im Front National (FN) als Chefideologe bis zum Parteivize emporgekämpft und agiert sehr wirksam im Schatten von Parteichef Jean-Marie Le Pen. Mit seinen Kulleraugen und dem linkischen Lächeln wirkt der Mann, der an der Uni Lyon 3 japanische Zivilisation lehrt, wie ein harmloser Zeitgenosse. Zufall oder nicht - seine Fakultät steht seit Jahren im Ruf, Hort revisionistischer Historiker wie Robert Faurisson und Bernard Notin zu sein. Eine unabhängige Untersuchungskommission hat nun vor wenigen Tagen einen Bericht vorgelegt, laut dem es in Lyon in der Tat eine kleine Seilschaft rechtsextremer Historiker gebe.

Als Reaktion auf diese Studie hat sich Gollnisch auf ihre Seite geschlagen - und zwar auf seine Art. Er stelle nicht in Abrede, dass "hunderttausende, wenn nicht Millionen" Juden unter den Nazis umgekommen seien, meinte er, um sogleich anzufügen: "Über die Art, wie diese Leute umgekommen sind, muss es aber eine Debatte geben." Es liege "an den Historikern, sich über die Existenz der Gaskammern auszusprechen." Letztere bezeichnet Gollnisch als "wichtiges Detail" der Geschichte.

Le Pen selbst war Ende der 80er verurteilt worden, weil er die Vernichtungsmaschinerie der Nazis als "Detail" bezeichnet hatte. Gollnisch bewegt sich haarscharf an der Grenze der Illegalität, denn die Verleugnung der Nazigräuel ist in Frankreich strafbar.

Die Universität Lyon will nun ein Ausschließungsverfahren gegen Gollnisch einleiten; das Justizministerium in Paris prüft ebenfalls rechtliche Schritte. Zuerst müsste indessen die parlamentarische Immunität aufgehoben werden, die der FN-Vizechef als Abgeordneter des EU-Parlamentes genießt.

Mit Gollnisch outen sich erstmals Auschwitz-Leugner an der Spitze einer politischen Partei. Immerhin führte der Fall sogar im Front National zu einer Debatte. Marine Le Pen, die Tochter des Parteipräsidenten, verurteilte Gollnischs Aussagen "unzweideutig". Das 50 Personen umfassende FN-Politbüro stellte sich aber mehrheitlich hinter ihn.

Die Debatte ist auch darum brisant, weil sich die Le-Pen-Tochter und Gollnisch immer offener um den Parteivorsitz streiten. Marine fährt einen gemäßigteren Kurs und distanziert sich von rassistischen und antisemitischen Aussagen. Gollnisch ist trotz seiner Kultiviertheit eher fürs Grobe. Und die FN-Mitglieder goutieren ihn mehr als die blonde Anwältin mit dem gewichtigen Namen.

Der 76-jährige Parteichef selbst hält sich in der Gaskammer-Debatte zurück. Es fiel aber auf, dass sich Le Pen nicht schützend vor seine Tochter stellte. Nach einem längeren Spitalsaufenthalt rief er lediglich zur "Einigkeit" auf. Das war eindeutig ein neues Zeichen der Schwäche, nachdem er bereits gegenüber internen Dissidenten an Autorität verloren hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 23./24.10.2004)