Duell mit einem Fastfoodgiganten: Der US-Dokumentarfilmemacher Morgan Spurlock teste in "Super Size Me" die gesundheitsschädigenden Auswirkungen von Burgers und Co.

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Regisseur, (Selbst-)Darsteller: Morgan Spurlock.

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Zwei Drittel der US-Bevölkerung haben Übergewicht. Morgan Spurlock gehörte zur Minderheit, bis er für seinen Film "Super Size Me" 30 Tage lang bei McDonald's speiste. Dominik Kamalzadeh traf ihn zum Interview.

Wien – Thanksgiving 2002 saß der New Yorker Filmemacher Morgan Spurlock auf der Couch seiner Mutter, als im Fernsehen ein Sprecher von McDonald's zu den gegen den Konzern gerichteten Klagen Stellung nahm. Er meinte, man könne Fastfood nicht mit den Krankheiten von übergewichtigen Menschen in Verbindung bringen.

In seinem Dokumentarfilm Super Size Me tritt Spurlock den Selbstversuch an: 30 Tage lang, dreimal am Tag, ernährte er sich bei McDonald's – und von "Super-Size-Menus" immer dann, wenn man ihn danach fragte. Zugleich Erkundung der Strategien der Fastfoodkonzerne wie aktionistische Demonstration am eigenen Leib ist Super Size Me ein komischer Aufklärungsfilm, der vieles überdeutlich zeigt und manches auch ausspart.

STANDARD: Mr. Spurlock, haben Sie schon österreichisches Fastfood probiert?
Spurlock: Gestern hatte ich diese wirklichen langen Würste zum Frühstück. Es sah wie ein Hotdog aus, schmeckte aber anders. Die Wurst hatte offensichtlich mehr Wurst in sich als die US-Variante.

STANDARD: Hier zu Lande pflegen Eltern davor zu warnen, zu viel bei McDonald's zu essen. Sind amerikanische Eltern nicht gesundheitsbewusst?
Spurlock: Nicht mehr. Wir haben in den USA eine neue Generation von Eltern, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren aufgewachsen ist. Da hatte unter anderem McDonald's bereits seine großen Kampagnen lanciert: "You deserve your break today!" Das sagte einem: Du arbeitest hart, du hast dir deine Pause verdient. Das ist eine Generation, die damit begann, auch ihre Kinder mit Fastfood zu ernähren. Was diese Leute nicht realisieren, ist, dass sie ihre schlechte Gewohnheiten an ihre Kinder weitergeben.

STANDARD: Ist der Grund für Fettsucht also die Ausweitung konsumorientierter Angebote?
Spurlock: Es ist genau das: Konsumerismus. Wir leben in einer Zeit, in der Gesundheit hinter Zeit und Geld nur an dritter Stelle kommt. Wir arbeiten länger, damit wir mehr Geld verdienen und mehr Dinge kaufen können. Wir kaufen ein, damit wir glücklich sind. Das wird uns zumindest fortwährend eingetrichtert. Was war das erste, was Rudy Guliani und George W. Bush nach dem 11. September gesagt haben: "Geht einkaufen, wenn ihr euer Land unterstützen wollt!"

STANDARD: Der Selbstversuch ist der unterhaltsame Teil ihres Films. Brauchen Dokumentarfilme diesen subjektiven Zugang, um erfolgreich zu sein?
Spurlock: Ich glaube, es hilft jedem Film, persönlich zu sein. Als Zuschauer sucht man doch stets nach einer Figur, mit der man sich verbünden oder auch identifizieren kann. Deshalb funktioniert Super Size Me, und deshalb funktioniert Bowling for Columbine.

STANDARD: War Ihnen klar, dass sie 12 Kilos zunehmen werden?
Spurlock: Alle meine Ärzte meinten, es würde nicht allzu viel geschehen. Vielleicht würde ich ein wenig zunehmen, der Cholesterinspiegel steigen. Ich dachte mir: Wenn er in einem Monat nur um fünf Punkte steigt, wären das 60 in einem Jahr. Eine Geschichte sollte ich also auf jeden Fall haben.

STANDARD: Sie stellen auch die Frage nach der Verantwortlichkeit: Ist man selbst schuld oder sind es die Konzerne?
Spurlock: Beide sind verantwortlich. Man kann persönliche Verantwortung ja nicht abgeben, es sei denn, man ist noch ein Kind: Da trifft auf jeden Fall auch das Erziehungssystem Schuld. Zugleich kann jedoch ein Konzern wie McDonald's auch nicht behaupten, dass er frei von jeder Verantwortung sei. Wenn man 46 Millionen Menschen ernährt, hat man auch die Verpflichtung, über Effekte zu informieren.

Sie schieben die Verantwortung jedoch ab. Sie sagen, es sei nicht ihre Schuld, dass sie diese bunten Spielplätze bauen, während es in den Wohnvierteln gar keine mehr gibt. Sie sagen, es sei nicht ihre Schuld, dass sie so viel Spielzeug und "Happy Meals" anbieten und ihre Werbungen im Fernsehen bevorzugt im Kinderprogramm läuft.

STANDARD: Wie hat die Fastfoodlobby auf den fertigen Film reagiert?
Spurlock: Alle gleich: Dieser Filmemacher sagt keine allzu netten Dinge über uns, aber was hat er davon erwartet, sich nur von Fastfood zu ernähren. Natürlich wird man davon fett. Sie lieben es einfach, dieses Bild von mir zu malen: Der Faulpelz, der auf der Couch liegt und den ganzen Tag Pommes frites in sich hineinstopft. Dabei habe ich mich immer noch doppelt soviel bewegt wie der Durchschnittsamerikaner.

STANDARD: Warum unternimmt die Regierung nichts – gegen Raucher ist man schließlich auch vorgegangen.
Spurlock: Das Rauchen wurde zum Gesundheitsthema, weil es der Regierung Geld kostete. Die Gesundheitsindustrie ist in den Staaten ja noch größer als die Fastfoodindustrie – und sie hat eine mächtige Lobby. Symptomatisch dafür ist etwa, dass man eine chirurgische Verkleinerung des Magens, um Gewicht zu verlieren, mittlerweile von der Steuer abschreiben kann. Denn damit hilft man dem Staat, Geld zu sparen. Es ist verrückt: Nur die Symptome werden bekämpft.

STANDARD: Glauben Sie wirklich, dass die Vorgänge umkehrbar sind: Fastfood ist ja auch ein Inbegriff des American Way of Life.
Spurlock: Man muss es zumindest versuchen, denn wir essen uns zu Tode. Die Menschen verbringen Monate mit der Überlegung, welchen Wagen sie kaufen sollen. Wenn sie ihn dann haben, überlegen sie keine zwei Sekunden, um zum nächsten Drive-Thru zu fahren. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.10.2004)