Peter Halley: "Blowout" (2000) Acryl, Day-glo-Acryl, Metall-Acryl, perlmutternes Acryl und Roll-a-Tex auf Leinwand 207 x 217 cm.

Foto: Peter Halley/Sammlung Essl
Auf dem Weg in die Top Ten der Kunstsammlerwelt verlieren die "Essls" tatkräftig an eigenständigem Charakter.


Klosterneuburg - Meistens beginnt es damit: Man entdeckt seine Liebe zur Kunst. Meistens endet es damit, dass das Sammeln doch zu teuer kommt. Bei Essls hat ein prosperierender Familienbetrieb dazu geführt, dass die frühe Leidenschaft auch ökonomisch vertretbar war.

Und also wurde gesammelt. Zunächst vorwiegend Österreichisches. Bis dann eben die eigene versäumte Geschichte so weit aufgearbeitet war, dass die Sammlung nach außen musste. Allein, weder das Künstlerhaus gab sich verfügbar, ein privates Museum zu werden, noch wollte dem Museumsquartier ein Turm aufgehen, um das Sammelgut klassisch spiralförmig aufzufädeln.

Und so kam es eben zum Ausbruch jener seltenen Tugend, aus der Not eine Praxis zu generieren, sprich: Die Essls beschlossen, anstatt eines geplanten Bilderdepots gleich ein Museum zu bauen.

Publikumsoffensive

Das steht nun auch schon wieder Jahre in Klosterneuburg, ist an sich großartig, allein, es lockt relativ wenige Leute an. Und das Sammeln will ja schließlich nach außen getragen, der Gemeinschaft zweckdienlich vermarktet werden. Es ergäbe ja doch keinen Sinn, die Preziosen im Tresor anzuhäufen - unter Ausschluss jeder staunenden Öffentlichkeit, ganz ohne dankbare Blicke derer, denen damit das Leben erleichtert werden, denen damit Bildung vermittelt werden soll.

Kurzum: Eine Offensive musste her. Eine Öffnung. Schließlich ja, so ein anderer Baumarkt: Es gibt immer was zu tun! Dies anzupacken haben Agnes und Karl Heinz Essl immer wieder berühmte Kuratoren eingestellt, ihr eigenes Tun in einen bedeutsamen und nebenher immer auch gemeinnützigen Schatten zu stellen. So haben Veteranen der Kasseler Documenta versucht, dem angestauten Material eine Ordnung zu geben, so hat Harald Szeemann pädagogisch wertvoll Klosterneuburg gegen den Osten hin geöffnet, so wurden Aborigines geladen, die Blickachsen der leider oft ausbleibenden Besucher, geografisch weit über die Großen Acht hinaus zu schärfen.

Und so kam es schließlich dazu, Ilena Sonnabend einzuladen, das eigene Sammeln mit ein klein wenig Glamour aufzufetten. Und die Grande Dame hat sich herabgelassen, ist Kuratorin Barbara Steffen dorthin gefolgt, wo sie down- town vermutlich nie vermutet hätte: nach Klosterneuburg.

Und sie hat Bilder mitgebracht - großartige Bilder. Kein Wunder: Schließlich war sie es, die einen Jasper Jones, eine Roy Lichtenstein, einen Robert Rauschenberg oder einen Andy Warhol entdeckt hat. Schließlich war sie es, die noch gemeinsam mit ihrem Mann der 60er-Jahre - Leo Castelli - nicht nur eine Galerie gründete, sondern zugleich damit den Handel mit so genannter moderner Kunst, wie er bis heute funktioniert.

Und: Ilena Sonnabend hat Leo Castelli früh das Geschäft überlassen, ist nach Europa gezogen, im Moment, in dem New York ihr drohte, zum Mekka zu werden. Um dort eben nicht Pop, sondern Minimal Art zu propagieren. Lichtenstein war ihr längst Geschichte. Sie warf Europa von ihrer Pariser Galerie aus Dan Flavin, Donald Judd und Robert Morris vor - mit dem entsprechenden Widerstand zunächst, mit dem entsprechenden Erfolg am Ende.

Jahrzehnte später haben Agnes und Karl-Heinz Essl begonnen, ihr Sammlungskonzept um einige Grenzüberschreitungen zu erweitern. Schließlich war das Heimwerken so in Mode gekommen, dass dem Konto ein Julian Schnabel oder ein Ross Bleckner oder ein David Salle ebenso zumutbar waren, wie zuvor noch ein Mikl oder ein Staudacher oder gar ein Arnulf Rainer. Also baute das Sammlerpaar seine Sammlung aus, begann zunächst, österreichweit geheim, mit einem Baselitz zu verhandeln oder einer Cindy Sherman oder mit allen oben Genannten.

Kauft Kontext! Weil, und das lag Freunden wie Neidern über die Jahre hinweg gleich schwer auf der Leber: Man muss sein Tun in einen internationalen Kontext setzen. Und, wie alles andere auch, kann man Kontext kaufen. Sich quasi im Nachhinein eine Vision zulegen. Visions of Amerika nennen die Essls ihre aktuelle Schau. Und die ist standesgemäß ansprechend, zeigt sie doch Rang und Namen von erlesener Qualität.

Und, einmal vorbei, wird diese Schau ungemein zweckdienlich sein, die zeitlich doch etwas auseinander liegenden Visionen von ein und demselben Kunstbegriff unter einen Hut zu bringen.

Das deutsche Liedgut der 80er-Jahre kennt die Zeile: "Geschichte wird gemacht, es geht voran." Und dementsprechend ohne Atempause sind auch die Essls daran, sich Historie zu kaufen. Der Erfolg gibt ihnen Recht: In der letzten Sonderausgabe der Zeitschrift ArtReview mit dem Titel Power 100 / The art worlds top 100 players wurden die Sammler Agnes und Karlheinz Essl bereits auf Platz 34 unter den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der internationalen Kunstwelt gereiht.

Und was liegt da näher, als die Idee, gemeinsam mit Ilena Sonnabend die Charts weiter zu stürmen? Und dann nimmt man eben eine gut eingeführte Produzentin wie Barbara Steffen und lässt sich ein "Best of"-Medley schreiben.

Dass dessen Uraufführung in Klosterneuburg stattfand, kann nur als Exotikbonus Gewinn einfahren. Und so kam es, dass Starmania auch diese Sammlung vom Prädikat "originell" zum Prädikat "international" erhob. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.10.2004)