Foto: Viennale
Im Mittelpunkt von Bekleme odasi / Wartezimmer von Zeki Demirkubuz steht ein Filmemacher, verkörpert von Demirkubuz selbst. In der Vorbereitung seines neuen Projekts, einer Adaption von Dostojewskis Schuld und Sühne , ist er hoffnungslos ins Stocken geraten. Beim Schreiben kommt er nicht von der Stelle, nachts kann er nicht schlafen, und um ihn herum ereignen sich derweil Beziehungskrisen: Die Lebensgefährtin verlässt ihn eines Abends, dafür quartiert sich irgendwann seine junge Assistentin bei ihm ein.

Der Film des türkischen Regisseurs, dem die Viennale vor zwei Jahren ein kleines Special widmete, arbeitet – visuell und auf der Ebene der Erzählung – mit solchen dezenten Parallelverschiebungen und Spiegelungen: Jede der Frauen wird den zunehmend teilnahmsloseren, abweisenderen Mann auf dem Sofa zur Rede stellen. Für jede von ihnen hat er eine andere erfundene Geschichte parat. Ansonsten ist Bekleme odasi geprägt von einer lastenden Atmosphäre des Stillstands.

Schon die Kamera bewegt sich in ruhigen Einstellungen kaum. Hauptschauplatz ist die Wohnung des Regisseurs, von deren Anlage man mit der Zeit, mit dem Wechsel gleichförmiger Tage und Nächte, eine genaue Vorstellung bekommt: Vorne das Wohnzimmer, wo der Mann lethargisch vorm Fernseher versinkt und eher missmutig diverse Besucher empfängt. Hinten Bad, Küche und Schlafzimmer, wo er sich vergeblich zur Ruhe bettet.

Der Protagonist ist das lähmende Zentrum des Films. Um ihn herum entfaltet sich nur skizzenhaft ein Umfeld. Demirkubuz' Blick aufs Filmemachen und dessen Behinderung erinnert in seiner Beiläufigkeit und Bodenständigkeit zuweilen an Arbeiten von Abbas Kiarostami – etwa an Der Wind wird uns tragen. Allerdings ist dessen Held aufgrund äußerer Umstände zum Warten verdammt.

Bekleme odasi bleibt dagegen ganz auf seinen Protagonisten fokussiert. Der Film ist Charakterstudie und Beschreibung eines Zustands zugleich: Die Blockade wird kaum in Worten thematisiert, sondern vielmehr anschaulich gemacht. Der wortkarge Mann erscheint als Gefangener seiner Situation, aber – zumal in der Konfrontation mit den weiblichen Figuren – auch als deren passiver Nutznießer.

Die Suche nach einem Laiendarsteller, den der Regisseur in einem Kleinkriminellen in der Verbrecherkartei der lokalen Polizeistation zu finden glaubt, bringt schließlich ein wenig Bewegung ins Geschehen. Am Ende wird von Dostojewski nur eine Widmung übrig bleiben. Dafür ist mit den Worten "Bekleme odasi" auf dem Computerschirm ein neuer Anfang gemacht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.10.2004)