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"Keine militärisch bedeutsame Lager von Massen­vernichtungswaffen im Irak"

AP Photo/Evan Vucci

Washington/Paris – Der frühere irakische Präsident Saddam Hussein soll Politiker aus Frankreich, Russland und anderen Ländern bestochen haben, um die UN-Sanktionen zu lockern. Die Regierung in Bagdad habe sich vor allem auf Franzosen und Russen konzentriert, da deren Länder über ständige Sitze im UN-Sicherheitsrat verfügen, heißt es in dem am Mittwoch in Washington veröffentlichten Bericht des von der US-Regierung Washington beauftragten Waffeninspekteurs Charles Duelfer.

Moskau und Paris forderten Belege für die Vorwürfe. Mit der Information, der Irak habe nicht über ABC-Waffen verfügt, widerlegt der Duelfer-Bericht vier Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl zudem das Hauptargument von Präsident George W. Bush für den Irak-Krieg.

Pasqua, unter den Beschuldigten

Laut dem vom US-Geheimdienst CIA veröffentlichten Bericht soll unter anderem der ehemalige französische Innenminister Charles Pasqua von der früheren irakischen Führung im Rahmen des UN-Programms "Öl für Lebensmittel" Gutscheine erhalten haben, die die Ausfuhr von elf Millionen Barrel Öl erlaubten. Diese Scheine seien leicht in Bargeld umzutauschen gewesen. Auf ähnliche Weise habe Saddam Hussein auch den französischen Geschäftsmann Patrick Maugein bestochen, dem Einfluss auf Frankreichs Staatschef Jacques Chirac nachgesagt wurde. Bis Juni 2000 habe Frankreich darüber hinaus im Rahmen von "Öl für Lebensmittel" Verträge über 1,78 Milliarden Dollar (rund 1,5 Milliarden Euro) erhalten, 15 Prozent aller in diesem Programm abgewickelten Geschäfte.

Ähnlich lukrative Kontakte gab es demnach in Russland mit dem Nationalisten Wladimir Schirinowski, der Kommunistischen Partei und dem Außenministerium sowie mit den damals einflussreichen Unternehmen wie Gasprom und Yukos. Gleichzeitig habe sich Bagdad um enge Beziehungen mit dem russischen Geheimdienst bemüht, dem früheren Arbeitgeber von Präsident Wladimir Putin.

Geschäfte angeblich von Aziz persönlich überwacht

Die Geschäfte wurden dem Duelfer-Bericht zufolge von Iraks stellvertretendem Ministerpräsidenten Tarek Aziz persönlich überwacht, der sich derzeit in Bagdad in US-Gewahrsam befindet und als Quelle genannt wird. Aziz sagte demnach, beide Seiten hätten gewusst, dass als Gegenleistung für die Bestechungszahlungen "Anstrengungen, die UN-Sanktionen aufzuheben, oder Widerstand gegen amerikanische Initiativen im Sicherheitsrat" erwartet worden seien.

Der Sprecher des französischen Außenministeriums, Herve Ladsous, erklärte in Paris, der Wahrheitsgehalt der Vorwürfe sei nicht belegt und weder gegenüber den beschuldigten Personen noch gegenüber den betroffenen Regierungen überprüft worden. Die Vorhaltungen bedürften daher einer "sehr genauen Überprüfung". In Moskau sagte ein Sprecher des Außenministeriums, "wie andere Länder auch wollen wir Fakten sehen". Er erinnerte daran, dass die UNO bereits vor längerem die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses beschlossen habe, um den Berichten über Korruption im Rahmen des UN-Programms nachzugehen. Solange dieser keine Ergebnisse vorgelegt habe, sei es "schwierig", die jetzt im Bericht des US-Waffeninspektors Charles Duelfer erhobenen Vorwürfe zu kommentieren.

Duelfer stand an der Spitze der im Juni 2003 gegründeten Gruppe aus 1400 amerikanischen und britischen Experten, die im Irak nach ABC-Waffen suchten; dem Streitkräfteausschuss des Senats in Washington legte er einen mehr als tausend Seiten umfassenden Bericht vor. Darin kommt er zu dem Schluss, eine unmittelbare Bedrohung durch Saddam Hussein habe nicht bestanden. Der Irak habe nach dem Golfkrieg 1991 die meisten seiner chemischen und biologischen Waffen zerstört. Das Atomprogramm sei nach und nach "verrottet".

Bericht widerlegt Powell: Wagen keine mobilen Waffenlabors

Der Bericht des von der US-Regierung beauftragten Waffeninspektors Charles Duelfer hat auch über die angeblichen mobilen Labors aufgeklärt, die im Irak nach dem amerikanischen Einmarsch 2003 gefunden worden waren. Demnach konnten diese Wagen nicht für irgendein biologisches Waffenprogramm benutzt werden, wie der US-Geheimdienst behauptet hatte, sondern seien "mit fast absoluter Sicherheit ausschließlich zur Herstellung von Wasserstoff konstruiert gewesen".

Der Duelfer-Bericht bestätige Angaben von irakischen Regierungsvertretern, wonach die Wagen zur Produktion von mit Wasserstoff gefüllten Wetterballons dienten, die für Schießübungen der irakischen Artillerie genutzt wurden, schreibt die "New York Times".

US-Außenminister Colin Powell hatte in seiner Rede am 5. Februar 2003 vor dem UNO-Sicherheitsrat schwere Vorwürfe gegen den Irak erhoben und die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufgerufen. Mit seiner Darstellung in der entscheidenden Sitzung des höchsten UNO-Gremiums wollte er beweisen, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besaß und somit den späteren Angriff auf das Land rechtfertigen. Zur Untermauerung seiner Ausführungen verwies er unter anderem auf Augenzeugenberichte "aus erster Hand", wonach der Irak über mobile Labors zur Herstellung von Biowaffen verfüge. Auch präsentierte Powell Computerbilder von vermeintlichen Labor-Lastwagen.

Im Jänner 2004 hatte Vizepräsident Dick Cheney von der Entdeckung zweier Lastwagen berichtet und sie als schlüssigen Beweis für mobile Labors, wie sie Powell erwähnt hatte, bezeichnet. CIA-Direktor George Tenet sagte später dem US-Kongress, er habe Cheney davor gewarnt, sich so bestimmt über die Entdeckung zu äußern. Im Mai 2004 räumte Powell ein, der US-Geheimdienst CIA habe sich bei der Behauptung geirrt, der Irak habe über mobile Labors für biologische Waffen verfügt. (APA/red)