Elisabeth-Maria Wachutka (Leonore)

Foto: Bühnen Graz/Monika Rittershaus
Graz - In welcher Oper wird zu Beginn Fließbandarbeit geleistet, findet dann am selben Ort - wenn auch en parodie - die Sitzung eines Aufsichtsrats statt, und steigt schließlich aus einer Grube ein Trompeter heraus? Erraten? Na denn: In Fidelio! In diesem Stil wurde die Saison im Grazer Opernhaus eröffnet - begleitet von erregten Zwischenrufen und einem finalen Buh-Orkan.

Mit Beethovens Oper wurde dort angeknüpft, wo Intendant Gerhard Brunner vor drei Jahren aufgehört hatte: Regie führte Vera Nemirova, eine seit zwei Jahrzehnten in Deutschland ansässige Bulgarin, die ihr Handwerk bei Ruth Berghaus und Peter Konwitschny gelernt hat, dessen Assistentin sie auch in Graz schon war.

Wenn man weiß, aus welcher Ecke ihre Arbeit kommt, findet man das Ungewöhnliche in diesem Fidelio gar nicht mehr so originell (bei manchem Andersgemachten aber etwas überdreht). So hat sie die Art, auch in ernsten Sujets Komisches vorkommen zu lassen (Stichwort: Totales Theater), ihrem Lehrmeister abgeschaut. Hier wird etwa die Marcia der Wachsoldaten im ersten Akt zur Kasperliade. Im apparativen Bereich hat der Ausstatter Klaus Werner Noack ziemlichen Aufwand getrieben.

Bei all den szenischen Ablenkungen sollte man auch auf die Musik hören. Unter der Leitung von Rainer Mühlbach, seit dieser Spielzeit Generalmusikdirektor in Münster, wurde ordentlich gespielt und gesungen. Ebenfalls Graz-Debütanten sind der Niederländer Alfred Bonnema (Florestan) und die Münchnerin Elisabeth-Maria Wachutka (Leonore), deren Stimmen durchaus dramatisches Gewicht haben. Neben ihnen der hier schon bekannte Este Egils Silins (Don Pizarro) und die bewährten Mitglieder des Hauses, unter denen Sonia Zlatkova (Marzelline) und Manuel von Senden (Jaquino) durch deklamatorische Deutlichkeit auffielen.

Die erste Spielzeit des Intendanten Jörg Koßdorff bringt zehn Neuinszenierungen, eine Wiederaufnahme und zwei auf der Bühne "Next Liberty". Man wird sehen, ob die durch kulturpolitische Schlamperei verloren gegangene Qualität nur durch Quantität aufgewogen werden soll. (DER STANDARD, Printausgabe, 05.10.2004)