Nanoforscherin Margit Sara bedauert die Anwanderung "guter Leute" ins Ausland.

Foto: Cremer/Der Standard
Standard : Sie leiten Projekte an der Universität für Bodenkultur, die sich in einem durch die viel zitierten Begriffe Bio, Nano, Struktur und Molekular abgesteckten Feld bewegen. Wie sieht das genauer aus?

Margit Sara: Hauptmotiv unserer Arbeit sind die S-Schichten (S-layers, single layers), monomolekulare Proteinschichten. Wir nutzen das Self-Assembly-, das Selbstorganisationssystem der Natur aus, um ultradünne kristalline Proteingitter auf diversen Oberflächen herzustellen.

Standard: Zu welchem Zweck?

Sara: Das ist nützlich zum Beispiel im Bereich der markierungsfreien Nachweismethoden im diagnostischen Bereich. Vorauszuschicken ist, dass wir die Self-Assembly-Systeme so verändert haben, dass wir an der Oberfläche verschiedenste Funktionen eingebaut haben. Das können Antikörper bindende Sequenzen sein. Oder es ist die Bindung des Birkenpollen-Allergens - damit kann die Entwicklung von Vakzinen vorangetrieben werden. Die Moleküle erkennen einander wie Schlüssel und Schloss. Bis jetzt musste man die Stoffe über chemische Methoden koppeln, durch die genetische Fusionierung bekommen wir bifunktionelle Proteine. Die extrem dünne S-Schicht, etwa fünf bis zehn Nanometer, bringt den Vorteil, dass die Signalausbeute wesentlich erhöht ist. Wir können die Oberflächen etwa von Liposomen durch genetisch veränderte S-Schichten so funktionalisieren, dass es einen Andockmechanismus an die Zellen gibt. Und wir können den Weg der Liposomen in den Zellen steuern.

Standard: Wie unterscheidet sich davon Ihre Arbeit am Kompetenzzentrum Bio-Molecular Therapeutics?

Sara: Das ist eine Variation. Dort gibt es konkrete Aufgaben zu erledigen, vor allem im Bereich des Targeting und der Diagnostik.

Standard: Was wird der "Endverbraucher" mittelfristig davon haben?

Sara: Dass zum Beispiel Medikamente sehr gezielt an bestimmte Stellen des Organismus geschleust werden. Wenn die Erkennungsstrukturen stimmen, dann kommen die Wirkstoffe mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Zellen. Allerdings müssen sie zumindest in die Nähe gebracht werden.

Standard: Welches Resultat Ihrer Arbeit hat Sie besonders gefreut?

Sara: Es war gerade bei den Fusionsproteinen ein schönes Erlebnis: dass wir ein Konzept aufgestellt haben, das wirklich aufgegangen ist; das ist ja keine Selbstverständlichkeit. Ebenso die Interaktion zwischen Molekülen herauszufinden und zu beschreiben. Hier sind jahrelang andere Hypothesen aufgestellt worden, und wir haben mit unseren Vermutungen Recht behalten.

Standard: Wie viele Mitspieler gibt es in Ihrem Feld?

Sara: Mit dem biomimetischen Prinzip - den S-Schicht-Fusionsproteinen - sind wir, glaube ich, derzeit die Einzigen auf der Welt. Es gibt eine Gruppe am Pasteur-Institut in Frankreich, die vorwiegend mit Anthrax arbeitet, die aber aus rein wissenschaftlichem Interesse eine andere Richtung erforscht, mit wasserlöslichen Proteinen. Wir bekommen sehr viele Anfragen, ob wir nicht die Plasmide weitergeben können, die diese Konstrukte enthalten. Wenn wir eine wissenschaftliche Publikation haben, dann verpflichten wir uns zur Weitergabe des genetischen Materials für Forschungszwecke. Es ist natürlich schwer festzustellen, was mit dem von einem Institut angeforderten Material weiter geschieht.

Standard: Und was ist mit der eigenen kommerziellen Verwendung der Resultate?

Sara: Es gibt einen Kooperationsvertrag mit der Firma Nano-S.

Standard: Mit wem kooperieren Sie in Österreich?

Sara: Die Fusionsproteine machen wir alleine. Aber wir haben natürlich intensive Kooperation mit anderen Instituten, zum Beispiel dem Institut für Biophysik in Linz unter Professor Schindler. Dort gelingt es Professor Hinterdorfer, unsere fusionierten Sequenzen darzustellen, ebenso Interaktionen zwischen ihnen und den Bindungspartnern.

Standard: Gibt es weitere Projekte, an denen Sie zurzeit arbeiten?

Sara: Mir ist gerade vor 14 Tagen ein EU-Projekt bewilligt worden. Es geht wieder um selbst assemblierende Proteine, und zwar um Sporenproteine, die sollen für die Entwicklung von Vakzinen eingesetzt werden. Das wird von London aus koordiniert, weiters sind dabei Frankreich, Finnland, die Slowakei und noch einige andere. Die englische Gruppe ist an uns herangetreten, weil sie meint, dass wir in der Selbstorganisation große Expertise haben.

Standard: Mit welchen Augen sehen Sie die österreichische Forschungspolitik?

Sara: Eine sehr schwierige Frage. Ich beobachte die Entwicklung seit vielen Jahren. Was natürlich wünschenswert wäre, ist die Verbesserung der finanziellen Ressourcen. Speziell ist es das Problem, dass sich viele gute Leute in den letzten Jahren habilitiert haben und dann kein Geld dafür da ist, sie in Österreich zu halten. Drei meiner besten Diplomanden bzw. Dissertanten etwa sind nicht dageblieben: Zwei sind in die USA gegangen, einer nach England. Der wäre bereit gewesen, sich hier zu etablieren, aber er hat einfach keine Stelle gefunden.

(Der Standard, Printausgabe, 4.10.2004)