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Aus dem bewusst billigen und plakativen Gegenentwurf zur Jodeldodel-Kultur ist heute längst ein Teil derselben geworden.


Wien - Probieren wir es mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert und dem deutschen Dichter Jean Paul: "Der Humor ist das umgehrt Erhabene und das umgekehrt Erhabene vernichtet nicht das Einzelne, sondern das Endliche durch den Kontrast mit der Idee."

Das bedeutet übersetzt ins Deutsche: Wir mögen zwar in der Gemeinschaft von anderen unter unserem Niveau immer am besten lachen. Es ist aber nicht weiter schlimm. Weil uns als Individuum die eigentlich hohe Absicht hinter dem als uneigentlich vorgestellten Niederen niemals verborgen bleibt, gehen wir mit dem Drücken einer Wuchtel in die Zeit des zeitlosen Schmähs ein. Wir werden unsterblich. Weil: Wir sind ja nicht deppert. Ha, ha, ha!

Weil wir Nichtunterzukriegenden aber in unserer Unendlichkeit öfters einmal an der selben Stelle vorbeikommen werden (so groß ist das Spielfeld für die Wuchtel dann auch wieder nicht), entsteht über die Jahre beim Schmähkicken ganz beiläufig ein gewisser Reibungsverlust. Möglicherweise nämlich ist ein Witz nach dem dritten Mal Erzählen noch etwas lustiger als nach 32 Jahren.

Gedanken wie diese müssen bei einer wieder einmal längst wegen Geld und nicht wie einst als bissiges Gegenstück zum blasierten Hochkultur-Schmock der Wiener Festwochen konzipierten Live-Aufführung vom seligen Watzmann aus 1972 zwar nicht zwangsläufig entstehen.

Wenn Wolfgang Ambros in der Wiener Stadthalle mit Kollegin Klaus "Die Gailtalerin" Eberhartinger von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung als Kreuzung aus Hansi Hinterseer und Carolin Reiber aber wieder einmal das mittlerweile historische Missverständnis Der Watzmann ruft! gibt, dann passiert eines: Es bleibt heute längst bei jenen Leuten kein Auge trocken, gegen die sich dieses zünftig tiefer gelegte "Rustikal" aus den Hochalpen im tiefsten Klischee einst in den besetzten Wiener Schlachthöfen von St. Marx gerichtet hat.

Noch lange bevor es den Musikantenstadl und seine - so viel Intoleranz muss sein - heute die entlegensten Bergtäler und urbanen Wohnblocks verheerende Jodeldodel-Kultur offiziell gegeben hat, wurde hier von den Autoren Wolfgang Ambros, Joesi Prokopetz und Manfred O. Tauchen schon vor drei Jahrzehnten mit dem Holzhammer auf das Heftigste auf das Leben mit einem Gamsbart vor dem mit Zirbenschnaps getrübten Horizont eingehauen.

Wie uns heutige, zwischen "Aloha Oe" und "Hollaretulliöh" im Reimzwang gestanzte Evergreens aber beim lustigen Mitpaschen glauben machen wollen, handelte es sich einst aber nicht etwa um subversiv-böse Gegenentwürfe zu Folkloremissverständnissen im Zeichen des Trash. Dank eines merkbar gelangweilt oder auch nur altersmild neben dem Geschehen agierenden und skandierenden Ambros als Erzähler oder dem gewöhnlich als Humoristen gehandelten Christoph Fälbl als Knecht, der es bei den Lachern gern zum Diskontpreis gibt, wird der Watzmann heute nämlich absolut gleichwertig mit dem früher Verhöhnten interpretiert.

Wer lacht, ist einverstanden. Eine erschreckende Entwicklung. Altern ohne Würde. Zur Würde sollte auch ein Zorn gehören, den man sich aus der Jugendzeit herübergerettet hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2004)