"Ich glaube nicht, dass es einen Gewinner und einen Verlierer gibt", lautet die Bilanz von Ziad Abu Zayad nach vier Jahren Intifada. "Bis jetzt sind beide Seiten Verlierer, weil wir unsere Völker zu Opfern der Gewalt gemacht haben", meint der Vorsitzende des Gesetzesausschusses im palästinensischen Parlament.

Auch Major Barry Spielman glaubt nicht, dass die Intifada ein Krieg ist, der gewonnen werden könnte, aber wie viele seiner Landsleute hat er das Gefühl, dass Israel jetzt Oberwasser hat: "Man kann sagen, dass wir die Palästinenser daran gehindert haben, ihre Ziele zu erreichen - es besteht ja kein Zweifel daran, dass dieser Krieg geplant war, und sie sind gescheitert", glaubt der israelische Armeesprecher. "Die israelische Wirtschaft wächst wieder, der Wille der israelischen Bevölkerung wurde nicht gebrochen."

Als der damalige Oppositionschef Ariel Sharon am Morgen des 28. September 2000 seinen Rundgang auf dem Tempelberg in Jerusalem abgeschlossen hatte, glaubte man noch, es bloß mit einem der üblichen Massenkrawalle zu tun zu haben. Palästinenser warfen Steine, Polizisten setzten Schlagstöcke und Gummimantelgeschoße ein, es gab Verletzte auf beiden Seiten, aber noch keine Toten. Erst 24 Stunden später begannen sich an mehreren Punkten im Westjordanland und im Gazastreifen regelrechte Straßenschlachten hochzuschaukeln, die Zahl der Toten und Verletzten erhöhte sich rasant. In den folgenden Wochen begriff man dann nach und nach, dass man aus der Phase des Dialogs, der die 90er-Jahre geprägt hatte, in eine neue Phase der Gewalt und der Ratlosigkeit hineingeschlittert war.

Intifada-Produkte

Grausige Wortgebilde wie "Märtyrerbrigaden" und "gezielte Tötung" sind ebenso die Produkte dieser zweiten Intifada wie etwa die Regierungschefs Ariel Sharon und Ahmed Korei. Sharon wurde zweimal mit überwältigender Mehrheit gewählt, weil das israelische Publikum zur Überzeugung gekommen war, dass die verschiedenen Führer der Arbeiterpartei immer wieder auf Autonomiechef Yassir Arafat hereingefallen waren.

Das Amt eines Palästinenserpremiers wiederum wurde im Rahmen der Roadmap, des internationalen Friedensplans, überhaupt erst geschaffen, damit statt Arafat, den Israel und die USA boykottieren, ein Ansprechpartner zur Verfügung stünde. Doch Korei hat keine Befugnisse, und die Reformen, die Arafat unter Druck immer wieder versprach, blieben Kosmetik, auch wenn im Juli die Proteste gegen seinen Verwaltungsstil den Gazastreifen an den Rand der Anarchie brachten.

"Bestimmt wurden auf unserer Seite Fehler gemacht", sagt Abu Zayad, der gegen den Einsatz von Waffen in der Intifada ist, "aber die Israelis haben den großen Fehler gemacht, übertriebene militärische Gewalt und die Tötungen einzusetzen, was von palästinensischen Organisationen als Vorwand für Vergeltungsakte verwendet wurde." Für Spielman wiederum sind es die Militärkampagnen, die Razzien und vor allem der umstrittene "Sicherheitszaun", die im vierten Jahr der Intifada eine Wende herbeigeführt haben: "Die Statistik zeigt, dass die Zahl der erfolgreichen Terrorattacken um 90 Prozent zurückgegangen ist - militärisch haben wir heute viel mehr Erfolg als früher."

Das fünfte Jahr wird im Zeichen von Sharons "einseitiger Abtrennung" stehen, dem einzigen Programm am politischen Horizont. Es wird von gut 70 Prozent der Israelis befürwortet. Wenn Israels Rechte den Plan und damit Sharon nicht doch noch zu Fall bringt, dann würde die Intifada eben doch etwas bewirkt haben: die erstmalige Räumung von Siedlungen. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.9.2004)