Günther Domenig schuf Transparenz: der Eingang zu "Faszination und Gewalt".

Fotos: Doku-Zentrum Reichsparteitagsgelände

"Acht Zigaretten pro Hinrichtung" von Alfred Hrdlicka: Die Exekutoren rissen sich um den Dienst - der Belohnung wegen.

Fotos: Doku-Zentrum Reichsparteitagsgelände

 Das von Günther Domenig entworfene Dokumentationszentrum im Reichsparteitagsgelände Nürnberg, vor kurzem bei der Architekturbiennale von Venedig prämiert, wartet mit einem weiteren "Publikumsmagneten" auf: Alfred Hrdlicka zeigt seinen Zyklus "Wie ein Totentanz".

Selbst den Lastwagen war es zu kalt. Weil sie im Winter nicht anspringen wollten, suchte sich das Technische Hilfswerk eine neue Unterkunft für den Fuhrpark.

Die frei gewordene, zwölf Meter hohe, düstere Halle aus kahlem Backstein beherbergt nun seit Juli dieses Jahres den Bilderzyklus "Wie ein Totentanz" von Alfred Hrdlicka zu den Ereignissen um das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944.

"Hrdlickas Bilder sind ein zusätzlicher Publikumsmagnet", sagt Eckart Dietzfelbinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Nach entsprechender Adaptierung sollen in der neuen Halle Wanderausstellungen zu verwandten Themen gezeigt werden.

Durch deren Angliederung wird das Doku-Zentrum nach einer zweieinhalbjährigen Erfolgsgeschichte erweitert. Seit seiner Eröffnung am 4. November 2001 haben mehr als 500.000 Besucher die Dauerausstellung "Faszination und Gewalt" gesehen. "Im ersten Jahr mussten wir manchmal schließen, weil der Andrang die Kapazitäten sprengte", erinnert sich Dietzfelbinger. Dabei handelte es sich um eine schwierige Geburt.

Fast ein halbes Jahrhundert lang war die Monsterarchitektur, die die Nationalsozialisten für ihre Parteitage (zwischen 1933 und 1938) geschaffen hatten, profanen Nutzungen vorbehalten, diente als Tribüne für Autorennen und Rockkonzerte, beherbergte Tonstudios, Garagen und Lagerhallen. Erst nach dem Zusammenbruch des Ostblocks ließ sich ein Konsens für eine offensive Aufarbeitung der Vergangenheit herstellen.

Das Dokumentationszentrum kontextualisiert die Instrumentalisierung von Faszination und Gewalt: Die Atomisierung des Individuums, das sich in der gehorsamen Masse einer "Volksgemeinschaft" verliert, sowie deren bedingungslose Ausrichtung auf "Deutschland", "die Partei" und "den Führer" mit den Mitteln der Monumentalarchitektur, martialischen Aufmärschen und pseudoreligiös verbrämten Inszenierungen hatte letztlich nur ein Ziel: die Vorbereitung der Menschen auf den Krieg. Der avisierte "Parteitag des Friedens" fand 1939 nach dem Überfall auf Polen bereits nicht mehr statt.

Das Dokumentationszentrum befindet sich im Nordflügel der unvollendet gebliebenen, megalomanischen Kongresshalle, des größten erhaltenen Relikts der NS-Herrschaftsarchitektur. Der Grazer Architekt Günther Domenig hat ihn mit einer Pfeildiagonale aus Stahl und Glas aufgerissen, um auch baulich Transparenz zu schaffen. Protzige Natursteinverkleidungen (für die KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter sterben mussten) korrespondierten mit plumpem und schäbigem Ziegelinterieur: Außen hui, innen pfui - und zuletzt im Rahmen der Architekturbiennale in Venedig prämiert.

Militärmaschinerie

Ganz besonders deutlich wird das in der noch unadaptierten Halle mit den Hrdlicka-Bildern. Auch der Wiener kontextualisiert: Sein Zyklus beginnt mit dem preußischen Militarismus und endet mit der Beteiligung des SS-Offiziers und KZ-Schergen Walter Rauff an der chilenischen Pinochet-Diktatur im Jahr 1974; Hrdlicka hätte ebenso gut Klaus Barbie bemühen können, den "Schlächter von Lyon", der zur selben Zeit den Geheimdienst des bolivianischen Militärdiktators Hugo Banzer instruierte. Er warnt vor falschen Leitbildern, sieht in den Männern des 20. Juli mehr Opfer als Helden und in ihren Mördern die Handlanger einer Militärmaschinerie.

"Wie ein Totentanz" ist noch bis zum 30. Oktober zu sehen. Mehr Informationen zum Doku-Zentrum, zu Architektur und Geschichte der Reichsparteitage im Buch Nürnberg - Ort der Massen. "Das Reichsparteitagsgelände" von Eckart Dietzfelbinger und Gerhard Liedtke (Ch. Links Verlag). (DER STANDARD, Printausgabe vom 27.9.2004)