ÖBIG-Gesundheitsökonomin Claudia Habl plädiert für eine Reduktion der 20-prozentigen Umsatzsteuer auf Medikamente, um der Sozialversicherung etwas Spielraum im Arzneimittelbereich zu geben. Hauptverbands-Geschäftsführer Josef Probst tritt für einen zeitgleichen Start von Chipcard und "Chefarztpflicht neu" ein. Das würde zwei Millionen Euro sparen.

Wien – 300 Faxleitungen müssten die Sozialversicherungen zusätzlich anmieten, um die von Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (VP) per Verordnung festgelegte neue Chefarztpflicht überhaupt administrieren zu können, erklärt Hauptverbandsgeschäftsführer Josef Probst, der auch für den Medikamentenbereich zuständig ist, im STANDARD-Gespräch.

Dadurch entstünden – bis zur Einführung der Chipkarte Ende 2005 – zwei Millionen Euro Mehrkosten. Zu viel, meint Probst, zumal die Integration in die E-Card-Infrastruktur "nur" 500.000 Euro kosten würde: "Wir sollten nicht mehr in eine Übergangslösung investieren, sondern die beiden Innovationen, Chipcard und ,Chefarztpflicht neu‘, gleichzeitig starten", hofft er auf ein Gespräch mit der Ministerin. Grundsätzlich sei deren Vorschlag, nicht mehr den Patienten zum Chefarzt laufen zu lassen, "klug und richtig. Die Verwirklichung bis 2005 bereitet uns aber große Schwierigkeiten".

Es geht um große Summen: Von jährlich 100 Millionen verschriebenen Medikamentenpackungen, für die die Kassen 2,3 Milliarden Euro ausgeben müssen, entfallen 400 Millionen Euro auf nur fünf Prozent chefarztpflichtige Arzneien. Deren Kostensteigerungsrate bei 15 bis 20 Prozent pro Jahr liegt, so Probst.

Um den Kassen bei den Arzneikosten "etwas Luft zu verschaffen", plädiert Claudia Habl, Gesundheitsökonomin am Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG), im STANDARD-Gespräch zumindest für eine Reduktion der Umsatzsteuer (UST) auf Medikamente, die in Österreich 20 Prozent wie für andere Produkte auch beträgt. Nur ein Teil davon wird vom Finanzministerium pauschal rückerstattet. Habl: "Dadurch haben die Kassen eine große Finanzierungslücke."

Zu hohe Arzneisteuern

In anderen EU-Ländern sind ermäßigte Steuersätze für Arzneien gang und gäbe. In fünf EU-Ländern sind rezeptfreie Medikamente überhaupt umsatzsteuerfrei, rezeptpflichtige begünstigt. In vielen anderen Ländern gelten für Arzneien niedrigere UST-Sätze wie für andere Güter.

"In ganz Europa wird nach Möglichkeiten gesucht, mit den steigenden Arzneimittelausgaben umzugehen", sagt die ÖBIG-Expertin, "und das österreichische Chefarztmodell wird in anderen Ländern durchaus mit Interesse gesehen". In den meisten Ländern gebe es "für hochpreisige Medikamente irgendwelche Hürden oder Zugangsschwellen". (DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.9.2004)