"Chodorkowskis Schuld ist unbestritten. Übrigens, auch Ihre. Wenn Sie sich davon überzeugen wollen, antworten Sie einfach auf einige Frage zu Ihrer Person", lädt die kürzlich aufgetauchte russische Internetseite, www.vino‑ ven.ru (zu Deutsch: schuldig), zu einer Bekanntschaft mit dem russischen Rechtssystem ein. Die Realität ist nur im Spiel zu fassen, scheinen sich die Initiatoren gedacht zu haben. "Jeder Mensch im Land kann beschuldigt, dem Gericht überantwortet oder ins Gefängnis gesteckt werden. Sollten für Ihr Verbrechen Beweise fehlen, kann man diese fabrizieren. Und das Gericht wird Sie in 99,2 Prozent der Fälle schuldig sprechen."
Fünf Fragen beantworten
Um sich kurze Zeit wie Chodorkowski zu fühlen, muss der User fünf Fragen beantworten: ob man im Kindergarten war beziehungsweise schon vor dem Schuleintritt lesen und schreiben konnte; ob man Freunde in der Schule hatte und jetzt einen Lebenspartner hat; schließlich, ob man mit jemandem seine Zukunftspläne bespricht.
Der Strafantrag des virtuellen Staatsanwalts folgt auf den Fuß – was dann im Fall, dass man alle Fragen positiv beantwortet, in etwa so aussehen kann: Der Hang zur kriminellen Lebensführung setzte im frühen Kindesalter ein, konkret die Beschädigung von Staatseigentum vom Kindergarten an und illegaler Handel mit Mangelwaren. Schreibversuche im Vorschulalter wirken – da es sich um kaum entschlüsselbare Zeichen handelt – erschwerend, der jetzige Lebenspartner keinesfalls strafmindernd und die Diskussion der Zukunftspläne mit Mitwissern ziemlich verdächtig. Insofern genügend Grund einen Strafantrag wegen ungesetzlichen Unternehmertums und vorsätzlicher Zerstörung fremden Eigentums zu beantragen. Andere Antwortkombinationen können die Anklage wegen Betruges oder Vertrauensbruchs usw. nach sich ziehen.