Bagdad/Wien - Die Zahl der Ausländer im Irak, die sich gleichzeitig in der Hand von Kidnappern befinden, hat am vergangenen Wochenende, als wieder 18 verschleppt wurden, die Zahl dreißig überschritten. Laut Statistiken von Nachrichtenagenturen wurden im vergangenen Jahr rund hundert Ausländer entführt.

Manche von ihnen wurden ohne große Interventionen relativ schnell wieder freigelassen: Ein System ist dabei nicht zu erkennen, es wurden bereits Amerikaner laufen gelassen und Staatsbürger islamischer Länder ermordet. Am Mittwoch wurde ein Türke tot aufgefunden und eine Kanadierin freigelassen. Die Zahl der Toten hat mit den jüngsten Morden an US-Bürgern das Dutzend überschritten.

Generelle Forderungen und politische Anliegen

In der ersten Zeit der Entführung von Ausländern wurden meist eher generelle Forderungen erhoben: das Ende der Besatzung, der Abzug der Truppen des Landes, aus dem der Entführte stammte, oder der Abzug der ausländischen Firma aus dem Irak, für die der Entführte tätig war. Seit einiger Zeit geht es mehr um politische Anliegen, wie etwa die Aufhebung des "Kopftuchverbots" an französischen Schulen - die beiden entführten französischen Journalisten sind noch immer in der Hand der Verbrecher - oder aktuell die Freipressung der weiblichen Gefangenen.

Die irakische Interimsregierung ließ am Mittwoch die Möglichkeit durchblicken, dass eine der beiden prominenten irakischen weiblichen Häftlinge, die Biologin Rihab Taha - von der internationalen Presse "Dr. Bazillus" genannt -, freikommen könnte, später dementierte sie.

Aber abseits der Gefahr für Ausländer: Die Iraker und Irakerinnen selbst sind seit buchstäblich dem ersten Tag nach dem Sturz von Saddam Hussein von Kidnappings betroffen. Zu Beginn wurden die Entführungen - die meisten der Opfer waren damals Schulkinder - ausschließlich der Kriminalität zugeordnet. Durch eine Generalamnestie vor Kriegsbeginn hatte Saddam Hussein Tausende Schwerverbrecher auf die irakische Bevölkerung losgelassen: Heute kann man durchaus spekulieren, dass das bereits ein bewusster Akt zum Zwecke der Destabilisierung war. Viele der damals entführten Kinder - besonders Mädchen - sind nicht zu ihren Familien zurückgekehrt.

Seit Monaten steht nun das Kidnapping von Geschäftsleuten und deren Familienmitgliedern auf der Tagesordnung - mit der Konsequenz, dass reichere Unternehmer ihre Angehörigen ins Ausland bringen. Allgemein wird diese Art von Kidnapping, wo die Entführten gegen Lösegeldzahlungen freikommen, ebenfalls unter normale Kriminalität eingereiht, aber ganz sicher ist das nicht: Das dabei lukrierte Geld könnte sehr wohl wieder an terroristische Gruppen fließen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.9.2004)