Wien - Seit zwei Jahren versucht Österreich Abschied vom aufgehobenen Homosexuellenparagrafen 209 zu nehmen. Aber das will nicht gelingen, die Justiz hängt einfach daran. Am Dienstag, endlich, hieß es wieder: "Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren". Ein 35-jähriger Wiener hatte tatsächlich einen jungen Freund, und sie konnten nicht warten, bis dieser volljährig war. Das Urteil (ein wenig enttäuschend für die wacker klagende Staatsanwaltschaft): Freispruch.

1997 war der Mann zu sechs Monaten bedingt verurteilt worden. Er war neben der Auslebung seiner homosexuellen Gefühle auch noch anderwärtig kriminell in Erscheinung getreten: Er hatte eine leere Geldbörse gefunden - und sie seinem Freund geschenkt.

Anwalt Helmut Graupner, der noch immer nicht müde werden darf, den Steinzeitparagrafen zu bekämpfen, holte sich Erfolgserlebnisse aus Straßburg. Dort sah man in drei Fällen - darunter auch dem vorliegenden - Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention und gegen das Recht auf den Schutz der Privatsphäre. Den Klägern wurde Schadenersatz zuerkannt.

Schließlich hatte auch das heimische Höchstgericht ein Einsehen und hob das Urteil mangels gültigem Paragrafen 209 auf. Blieb aber noch die Sache mit der Geldbörse. Sie musste ohnehin neu verhandelt werden. Da probierte es die Anklagebehörde auch gleich noch einmal mit der Homosexualität.

Richter Thomas Schrammel, der schon vor einigen Jahren den Versuch unternommen hatte, einen diskriminierten Angeklagten nach Paragraf 209 straffrei nach Hause zu schicken (selbstverständlich scheiterte dieser Versuch), führt süffisant durch einen Fünfminutenprozess. "Das Beweisverfahren wird eröffnet", sagt er, gönnt sich einen Seufzer und fährt fort: "Und es wird auch gleich wieder geschlossen." Der Angeklagte wird nicht bestraft. Im Gegenteil: Ihm wird nun auch in Wien Schadenersatz zuerkannt. (DER STANDARD, Printausgabe 22.09.2004)