Wien – "Zuschütten sollen s' es", so endet der nicht enden wollende Klagefluss von Frau Rosemarie, Besitzerin von Opera Souvenirs in der Albertinapassage. Sogar mit Walzerstunden habe sie schon versucht, den paar Touristen, die sich zu ihr unter die Erde verirren, den Weg in ihr Geschäft zu weisen. – Nichts. Die Albertina-Passage ist ein vergessener Ort.

Seit Monaten ist die Rolltreppe kaputt. In der Albertinapassage, dem nebst der Opernpassage gegrabenen Loch unterm Ring, hat man ein Warnschild aufgestellt. Es findet sich keines über eine Wiederinbetriebnahme.

Ausgetrocknet

Ein Symbol für den schleichenden Verfall der Passage. Früher, meint Frau Rosemarie seufzend, gab es wenigstens noch "charmante homosexuelle Herren". Die haben einander im unterirdischen Café vis-à-vis ihres Geschäftes getroffen, hin und wieder hat einer bei ihr hereingeschaut. Das Café gibt es schon lange nicht mehr.

Später versuchten dort auch noch ein Plattengeschäft, das "Carola", und die "Gaudi-Tapas-Bar" ihr Glück.

Heute bevölkern, neben den Damen in zwei weiteren Sou 2. Spalte venirgeschäften, gerade noch die Toilettenfrau Ljubica und ein privater Wachtdienst dieses unterirdische Biotop.

Der Wachmann erzählt von einer 14-jährigen Drogentoten, die er vor drei Monaten am Klo gefunden hat; oder darüber, und die Aufregung ist ihm anzumerken, dass die Albertinapassage im Internet als Schwulentreffpunkt angepriesen wird. "Dass man da nix machen kann", um diesen, seiner Meinung nach, "skandalösen Zuständen" da unten "ein Ende zu machen, so was versteh' ich einfach net".

Das Schicksal der Passage könnte im Büro des Planungsstadtrates entschieden werden. Man analysiere, ob es sinnvoll wäre, an der Oberflä 3. Spalte che Fußgängerüberquerungen zu errichten, heißt es dort. Ob man die Passage dann nicht zuschütten könnte? "Da haben sie eigentlich recht."

Die Rolltreppe rührt sich seit dem vergangenen Oktober nicht mehr. Sie ist mehr als 40 Jahre alt, führt zu keiner U- Bahn oder sonst einem Verkehrsmittel und ist nicht mehr reparabel, teilt die Stadtverwaltung mit. Nur eine komplette Erneuerung im Rahmen einer Generalsanierung der Unterführung sei sinnvoll.

Bis das entschieden ist, rollt die Treppe nicht mehr und Klofrau Ljubica kann beobachten, wie das leere Schaufensterglas gegenüber ihrer Toilettenanlage immer grauer und schmutziger wird. (Theresia Berger, Der Standard, Printausgabe, 21.09.2004)