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"Schau, Elfriede", sagt Günther Nenning, "vielleicht ist diesfalls die Literatur wichtiger als die Politik."

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger REUTERS
Ich möchte moderne und modernste Literatur unter die Leut' bringen, in hoher Auflage, mit volksbildend günstigem Preis und wie in Österreich so im EU-Raum. Wenn eine literarische Person drauf sagt, aber der Kampf gegen die Regierung ist mir wichtiger, so sagt sie ja nichts Verbotenes; es lebe die Freiheit. Aber ich möchte mit ihr in Dialog treten. Ich möchte sie gewinnen. Schau, Elfriede, vielleicht ist diesfalls Literatur wichtiger als Politik.

Man überzeugt oder man überzeugt nicht. In einem wie im anderen Fall verändern sich Personen wie Situationen. Wer schließlich doch teilnimmt, kriegt ein besonderes Willkommen. Wer nicht, ist trotzdem willkommen.

Das Projekt wird bereichert um zusätzliche Ehrlichkeit: Sieh da, die Klüfte der Politik tun sich auf auch in der Literatur; der Vorrang der Politik über die Literatur wird festgeschrieben. Die Abwesenheit der Anwesenden bringt den Mut zum Fragment. "Das Fragment ist der Eingriff des Todes ins Werk. Indem er es zerstört, nimmt er den Makel des Scheins von ihm" (Adorno). Aus Repräsentation wird Auslese. Zum Herzensruf, bitte komm, ertönt ein Ruf aus tiefsten Körperteilen – dort, wo der Mut sitzt. Willkommen Abwesende wie Anwesende.

Wenn Liebe nicht reicht, ist es immer traurig, aber die Viechsarbeit an einem so großen Projekt lässt glücklich wenig Zeit für Kränkung und Streit. Auch hilft ein bisschen Bosheit.

Auch bringt Kritik, zumal ungerechte, immer was. Sie macht das Werk besser. Der Bau muss umgebaut werden; das tut ihm gut.

  • Auslese in möglichster Breite.
  • Mut zur Lücke, die Platz schafft.
  • Dreiheit von Vergessenen, Bleibenden, Künftigen: Klassische Moderne; Moderne Moderne; Junge, Jüngste, die aus der Wenig- und Unbekanntheit aufsteigen sollen.
  • Wie die Fülle und Flut unterbringen, und sei der Koffer noch so groß? Das ist reizvoll
  • Ein Projekt von autonomen Autorinnen und Autoren, denen keiner dreinredet.
  • Staatsferne, Regierungsferne, Parteiferne.
  • Nicht nur keine Einflussnahme, sondern positiv: die Fantasie an die Macht. Dafür steht Peter Pongratz mit seinen Bildern auf dem und in dem Koffer.
  • Ach, Freundinnen und Freunde an meiner Seite: Umarmung. Marie-Thérèse Kerschbaumer, Robert Schindel, Julian Schutting – was für ein Herausgeber-Team!
  • Und all die Autorinnen und Autoren, Erwartete und Unerwartete! Kofferpacken ist Lebensfreude!
  • Es gibt ja viele Zurückgekommene und noch mehr Hinzugekommene. Ende Oktober wird die Neuformierung beendet sein. Bis dahin urheberrechtlicher Datenschutz, zwecks Bewahrung von Autorinnen und Autoren vor Druck, so dass wir sie drucken können.
  • Das Friedenspulver trocken halten.

Günther Nenning

(DER STANDARD, Printausgabe, 21.9.2004)