Bild nicht mehr verfügbar.

Das Bild, das Häupl in der Hochschulpolitik - von 1975 bis 1977 als Vorsitzender des VSStÖ - hinterlassen hat, unterscheidet sich stark von dem, das sich die Wiener in den letzten zehn Jahren von ihrem Bürgermeister machen konnten.

Foto: APA/Bünter R. Artinger

Michael Häupl beim Abschied seines Vorgängers Helmut Zilk im Rathaus.

Foto: Rudolf Semotan
Vor zehn Jahren wurde Michael Häupl Bürgermeister von Wien und bietet seither das Bild einer bemerkenswerten Verwandlung: Im barock agierenden Machtmenschen erkennen nur noch wenige alte Bekannte den sensiblen Intellektuellen von einst.

* * *

Irgendwann zu Beginn der 70er-Jahre kamen zwei junge Studenten in der Mensa des Neue Institutsgebäudes der Wiener Universität nebeneinander zu sitzen. Der jüngere, extrovertiertere redete einigermaßen emphatisch auf den älteren ein, der ruhig zuhörte, ehe er seine Ansichten präzise formulierte - zum Lauf der großen politischen Welt, wie sie sich damals unter Bruno Kreiskys entwickelte ebenso wie zu handfesten Fragen des Studentendaseins.

Am Ende hatte der Laute den Leisen überzeugt und mit dem Biologiestudenten Michael Häupl eine neue Kraft für den Verband Sozialistischer Studenten (VSStÖ) gewonnen. Es war seine beste Anwerbung, stellte Josef Cap später kokett fest.

"Haxen abgelaufen"

Das Bild, das Häupl in der Hochschulpolitik - von 1975 bis 1977 als Vorsitzender des VSStÖ - hinterlassen hat, unterscheidet sich stark von dem, das sich die Wiener in den letzten zehn Jahren von ihrem Bürgermeister machen konnten. "Er war für die Studentenheime zuständig, ungeheuer fleißig, penibel und kümmerte sich um jeden Fall persönlich", erinnert sich ein Studienkollege. Schon damals sei sein Pragmatismus aufgefallen, der wenig nach Ideologien fragte, sondern nach realen Bedürfnissen: "Wenn einer einen Heimplatz brauchte, hat sich der Michl die Haxen für ihn abgelaufen und nicht lange gefragt, ob er rot oder schwarz wählt."

Sattelfest in Theoriedebatten

Die Architekten linker Wolkenkuckucksheime seien Häupl immer ein bisschen windig vorgekommen, meint Cap, obwohl er sich in den Theoriedebatten als äußerst sattelfest erwies. In der "Zukunft" habe Häupl bereits über Rot-Grün geschrieben, als der Großteil der Genossen bei grün noch an ein Ampelsignal oder einen Apfel dachte.

An einen "sensiblen Intellektuellen mit wachem sozialen Gewissen" erinnert sich ein Kollege aus dem damaligen rechten politischen Lager: "Das Laute, Polternde war ihm völlig fremd. Dieses Fiakergewand hat er sich erst später angezogen." Berührungsängste nach rechts habe Häupl, der sich vor seinem sozialdemokratischen Erweckungserlebnis in der schlagenden Verbindung "Rugia" betätigte, schon damals nicht gehabt. Die wären auch von früher her nicht zu erwarten gewesen, wuchs der am 14. September 1949 in Altlengbach geborene Sohn einer Lehrerfamilie doch in einem traditionell VP-nahen Elternhaus auf.

Lehrjahre bei Zilk

Möglicherweise begann Häupls sukzessive Wandlung zum jovialen Volkstribun mit seinem endgültigen Abschied von der Wissenschaft, der er nach seiner Promotion 1977 sechs Jahre als Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums verbunden war. 1983 wechselte Häupl in den Gemeinderat, fünf Jahre später holte ihn sein Mentor Helmut Zilk als Umweltstadtrat in die Landesregierung.

Seit 1982 Vorsitzender der Jungen Generation Wien, lernte Häupl dort das feine Spiel der Machtbalance innerhalb der Parteistrukturen und ihre Vernetzung, deren Knoten bis heute gehalten haben: In der gemächlich konkurrierenden Sozialistischen Jugend (SJ) hatte damals Josef Cap das Sagen, Alfred Gusenbauer zeigte ebenfalls schon auf. Nach außen gab Helmut Zilk die schillernde Vorstellung eines Bürgermeisters nach dem Gusto des Volkes - direkt, trinkfest und lautstark.

Hemdsärmeliger Fiaker

Dass dabei handfeste Politik gemacht wurde und dieses Machen medial noch besser verkauft wollte, führte wohl zwangsläufig zu Vereinfachungen in der Inszenierung des Nachfolgers, als der Häupl spätestens mit der Übernahme des Vorsitzes der Wiener SPÖ 1993 erkennbar wurde: An die Stelle des "belesenen, gebildeten Freundes", mit dem zu "philosophieren" dem Wirtschaftskammerpräsidenten Walter Nettig ein Vergnügen war, trat der hemdsärmelige Fiaker. 1996 wirkte Häupl offenbar noch nicht so überzeugend, die SPÖ fiel bei der Gemeinderatswahl unter 40 Prozent.

Pragmatisch wie immer kontaktiere Häupl auch die unter Quarantäne der Bundes-SP stehende FPÖ, um dann doch eine Koalition mit der ÖVP einzugehen: Fünf Jahre später holte Häupl mit 46,9 Prozent die absolute Mehrheit und sitzt seither so fest wie nie zuvor auf dem Kutschbock. (DER STANDARD, Printausgabe 18./19.9.2004)