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"Mein Defizit wird heuer so groß." - Finanzminister Karl Heinz Grasser im Klub der Wirtschaftspublizisten.

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Vor allem die zurückgegangenen Einnahmen durch die Umsatzsteuer sind dem Finanzminister ein Rätsel - die leeren Taschen sind allerdings ein Faktum.

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Was der STANDARD schon im Juli berichtete , wurde vom Finanzminister jetzt bestätigt: Aufgrund geringerer Steuereinnahmen fehlt mindestens eine Milliarde im heurigen Haushalt, das Defizit verdoppelt sich auf 1,4 Prozent. Wo die Steuern bleiben? Das sei selbst für Experten "ein Geheimnis", sagt Karl-Heinz Grasser.

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Wien - Schlechte Nachrichten zum Vollzug des heurigen Haushalts räumte Finanzminister Karl-Heinz Grasser am Mittwoch in einem Gespräch im Klub der Wirtschaftsjournalisten ein.

Die Steuern bleiben gegenüber den Erwartungen kräftig zurück: Bei der Umsatzsteuer fehlen dem Fiskus bis zu 700 Mio. Euro, bei der Einkommenssteuer liege man um rund 300 Mio. Euro unter Ziel, bei der Körperschaftssteuer bis zu 350 Mio. Euro, erklärte Grasser.

"Bitte rauchen Sie!"

Auch aus der Tabaksteuer wird es 80 Mio. Euro weniger Geld geben ("Daher: Bitte rauchen Sie!") Einzig die Mineralölsteuer, die kräftig erhöht wurde und mit dem Benzinpreis mitwächst, würde bis Jahresende um 200 Mio. Euro mehr als erwartet bringen.

Insgesamt, so Grasser, erwarte er darum im heurigen Jahr wenigstens eine Milliarde Euro weniger Einnahmen, womit die derzeit beste Annahme für das Staatsdefizit bei 1,4 Prozent liegt. Dies entspricht früheren Berichten des STANDARDS, der bereits im Juli über ein Einnahmenloch von 1,5 Mrd. Euro aufgrund der Angaben von Steuerexperten berichtete.

Die ursprüngliche Vorgabe für das Staatsdefizit 2004 lag bei 0,7 Prozent; Anfang des Jahres wurde diese Prognose gegenüber der EU auf 1,1 Prozent revidiert. Jetzt also soll es laut Grasser wenigstens 1,4 Prozent betragen und wird aufgrund der Steuerreform - vor allem aufgrund der Senkung der Körperschaftssteuer und der Einkommenssteuersätze - im Jahr 2005 weiterwachsen.

Über das fertig gestellte Doppelbudget 2005/06 wollte Grasser aufgrund "des Primats des Parlaments" vor der Budgetrede im Oktober nichts sagen. Wie berichtet, wird eine Neuverschuldung von 4,5 Mrd. Euro in den beiden nächsten Jahren erwartet.

Ratloser Finanzminister

Für den starken Steuerrückgang konnte der Finanzminister keine Erklärung bieten. Vor allem der Entfall der Umsatzsteuer sei auch für seine Experten "das größte Geheimnis", zeigte sich Grasser ratlos.

Sprecher der Oppositionsparteien gaben dem Eingeständnis Grassers erwartungsgemäß schlechte Noten. "Trotz sprudelnder Einnahmen aus der Mineralölsteuer" könnte sich das Defizit im heurigen Jahr verdoppeln, sagte SPÖ-Budgetsprecher Christoph Matznetter.

Der grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen, nannte das Eingeständnis eine "Bankrotterklärung" Grassers. Dem Parlament seien offenbar Fabelzahlen vorgelegt worden, für das Budget 2005 und 2006 sei Ähnliches zu befürchten.

Schuldenbremse

Grasser erwärmte sich inzwischen für das vom Vorsitzenden des Staatsschuldenausschusses, Helmut Frisch, vorgeschlagene Konzept einer "automatischen Schuldenbremse". Dies ist ein Vierjahresplan, der von der Verfassung vorgeschrieben werden soll und in dem die Ausgaben und deren Finanzierung fixiert werden sollen.

Das Ziel sei jetzt nicht mehr ein "Nulldefizit", sondern der "ausgeglichene Haushalt über den Konjunkturzyklus", sagte Grasser; dies würde die "Schuldenbremse" sicherstellen.

Ausgeglichenes Budget ohne Steuerreform

Grasser räumte ein, dass der "Zyklus" nur schwer festzumachen sei; jedenfalls ist der Haushalt von 2000 (Beginn seiner Regierungstätigkeit) und dem erst wieder für 2008 angepeilten neuerlichen Nulldefizit keinesfalls ausgeglichen. Grassers Rechtfertigung? "Dafür haben wir die Steuerreform gemacht, ohne die wär's ausgeglichen."

Trotz schlechter Budgetentwicklung versuchte Grasser Optimismus: Das Wachstum 2004 werde unterschätzt, er rechne in der Eurozone heuer mit zwei Prozent Wachstum und 2,5 Prozent 2005. (Helmut Spudich/DER STANDARD Printausgabe, 16.09.2004)