Wien – Die Regierung hat am Dienstag die Neuregelung der Haftentschädigung beschlossen. Ein Kernpunkt der Novelle: Wer die Republik künftig nach einem Freispruch auf Entschädigung verklagt, muss dabei nicht – wie bisher – allenfalls noch bestehende Verdachtsmomente ausräumen. Damit werde der Unschuldsvermutung Rechnung getragen, betonte Vizekanzler Hubert Gorbach (F) am Dienstag nach dem Ministerrat. Österreich war wegen dieser Bestimmung mehrmals vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt worden.

Außerdem wird der Zugang zur Haftentschädigung erleichtert: Um derzeit Entschädigung zu bekommen, ist ein "Grundsatzbeschluss" des zuständigen Strafgerichtes nötig, wonach die Ansprüche dem Grund nach berechtigt sind. Erst nach diesem Beschluss kann ein schuldlos Inhaftierter gegen den Staat klagen. Künftig können Ansprüche direkt bei der Finanzprokuratur (dem "Anwalt der Republik") angemeldet werden. Entscheidet diese nicht binnen drei Monaten, so kann die Entschädigung zivilrechtlich eingeklagt werden.

Einklagbar sollen sowohl Schmerzensgeld zur Abgeltung immaterieller Schäden als auch der tatsächlich erlittene materielle Schaden sein. Laut Vizekanzler Gorbach sind aber bestimmte "Ausschlussgründe" vorgesehen, um "unangemessene" Entschädigungsansprüche zu vermeiden.

Im Vorjahr wurden nach Angaben des Justizministeriums 295.189 Euro für Haftentschädigung ausgegeben. Von 116 Anträgen wurden 86 ganz oder teilweise positiv erledigt. 2002 entfielen auf 72 Entschädigungsfälle 345.264 Euro, 2001 waren es bei 36 positiven Anträgen 219.507 Euro und 2000 wurden bei 25 positiven Anträgen 84.983 Euro an Haftentschädigung zuerkannt.

Die finanziellen Auswirkungen der Neuregelung werden nach Ansicht des Justizministeriums bei jährlich 500.000 bis 600.000 Euro liegen. In Kraft treten soll die neue Regelung nach derzeitiger Planung mit 1. Jänner 2005. (APA)