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Eine Volksabstimmung würde den Rückzugsplan verzögern, ist Sharon überzeugt.

Foto: FLASH 90/REUTERS
Unbeeindruckt von den Protesten in seiner eigenen Partei und rechter Gruppierungen hat Israels Premier Ariel Sharon den ersten Schritt zur praktischen Umsetzung seines Rückzugsplans vollzogen. Mit neun Stimmen gegen eine bewilligte das Sicherheitskabinett gestern ganz glatt das Grundkonzept, nach dem insgesamt mehr als 500 Millionen Euro als Entschädigung an jene Siedler verteilt werden sollen, die ohne Widerstand die zur Räumung bestimmten Siedlungen im palästinensischen Gazastreifen und im Westjordanland verlassen.

Darüber hinaus wurde grünes Licht für Vorschusszahlungen gegeben, womit zumindest der Beginn der "einseitigen Abtrennung" zur vollendeten Tatsache würde.

Die Entschädigungen sind eine wichtige Komponente des Plans, und das Gesetz, das die Auszahlung regelt, muss in den nächsten Monaten noch den Ministerrat und das Parlament passieren. Für zurückgelassene Häuser sind pro Familie 160.000 bis 400.000 Euro vorgesehen, für die Niederlassung in Entwicklungszonen in Galiläa oder in der Negev-Wüste soll es noch einen Bonus geben. Außerdem werden Übersiedlungs- und Mietspesen abgegolten, und Arbeitnehmer, die ihren Job in einer der Siedlungen verlieren, werden bis zu sechs Monate entschädigt. Man rechnet damit, dass zahlreiche Siedler die Zahlungen in Anspruch nehmen und mithin den Plan, den sie politisch ablehnen, de facto akzeptieren werden.

In Interviews aus Anlass des jüdischen Jahreswechsels hat Sharon klar gemacht, dass eine Volksabstimmung, wie sie zuletzt wieder von Finanzminister Benjamin Netanyahu vorgeschlagen wurde, nicht infrage käme, weil die Zeit dafür zu knapp sei. Das Referendum würde den Prozess keineswegs "sabotieren oder verzögern", predigte Netanyahu, sondern ihn "unterstützen" und "die Gemüter beruhigen". "Das ist kein Vorschlag für eine Volksabstimmung", meinte hingegen Chaim Ramon von der oppositionellen Arbeiterpartei, "das ist ein Vorschlag, den Rückzugsplan zu torpedieren".

In Jenin wurden Montag drei mutmaßliche Mitglieder der Al-Aksa-Brigaden von einer israelischen Rakete getötet, in Kalkilia sprengte sich ein palästinensischer Selbstmordattentäter in die Luft und verletzte dabei zwei Israelis.

Polizei untersucht Morddrohungen gegen Sharon

Die israelische Polizei untersucht anonyme Morddrohungen gegen Ministerpräsident Ariel Sharon, die offenbar in Zusammenhang mit dessen umstrittenen Plan zum Abzug aus dem Gaza-Streifen stehen.

Die Drohungen seien in den vergangenen Tagen per Telefon eingegangen, sagte ein Sprecher der Jerusalemer Polizei. Auch am Dienstag habe es Drohungen gegeben, als das Sicherheitskabinett Ausgleichszahlungen für rund 8000 jüdische Siedler in den besetzten Gebieten beschlossen hat. Auf der israelischen Nachrichtenseite YNet im Internet hieß es, Angehörige des Sicherheitsdienstes Schin Bet fürchteten um Sharons Sicherheit. Sie fänden es besser, "wenn der Ministerpräsident es vermeidet, sein Büro zu verlassen". (red/DER STANDARD, Printausgabe, 15. 9. 2004)