Er hat die letzten Modernitätsschübe in den theateranhängigen Schreibwerkstätten problemlos überstanden. Er hat so ziemlich das Gegenteil von allen anderen gemacht: Die setzten angelsächsisch abgewetzte Modernitätsverlierer vor die zusehends leerer werdenden Kühlschränke, aus deren verwaisten Fächern ihnen ein konkret nicht festzumachender Weltüberdruss wie Schimmel entgegen flog.
Schimmelpfennig, der an der Münchner Falckenberg-Schule das szenische Handwerk erlernte, bei Dieter Dorn assistierte und zeitweise in Istanbul Reportagen schrieb, kennt diesen Überdruss augenscheinlich nicht. Er sucht die Stoffe für Stücke nicht - sie suchen ihn eher heim. "Ich könnte nicht sagen: Diesen oder jenen Einfall hab' ich jetzt aus dem Kino", erklärt er.
Zumeist erfinde er eine Situation. Dann könne es sein, dass die Plots zunächst gut abliegen müssen. Er habe "das Klima, die Farbe" zu einem Stück recht bald im Kopf. Dann könne es passieren, dass ihn der (schreiberische) Mutwille reite: "Ich suche Stoffe, die schnell von null auf hundertachtzig beschleunigen. Mir liegt daran, Stoffe in eine Eskalation hineinzutreiben." Dadurch betreibe ein ruhiger Mensch wie er übrigens Aggressionsabbau. In den Theaterstücken Schimmelpfennigs deklamieren nicht einfach ein paar Figuren dasjenige, was ihnen ein einfühlsamer Autor in den Mund legt - sondern sie erklären (häufig) die szeni- sche Versuchsanordnung, indem sie sie beschreiben.
Die Bilder dieser auf 16 Stücke angeschwollenen Rätselwelt sind kalt, klirrend und alltäglich-absurd. Man verliert sich in ihnen - wie jener Mann in Vorher/Nachher, der in den Farbdruck einer Flusslandschaft hineinsteigt wie in einen Einbaukasten, um im "Jenseits" dieser Bild-Erfindung eine industrielle Revolution auszulösen.
Lachhaft und absurd