Berlin - Der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, Simon Rattle, kann sich die Auflösung seines Orchesters aus Finanznot vorstellen. "Man muss sich inzwischen leider auch das schlimmste Szenario ausmalen", sagte der 49-Jährige in einem am Wochenende veröffentlichten "Spiegel"-Interview. Auf der einen Seite sehe er die ausweglose Lage der Stadt, "die längst bankrott ist", andererseits sei die kulturelle Demontage "eine unglaubliche Schande gerade für Berlin".

Berlin setze das Faszinierendste aufs Spiel

"Kultur und innerhalb der Kultur die Musik sind das Beste und Faszinierendste, was die deutsche Hauptstadt international zu bieten hat", zitierte das Magazin Rattle. Das setze sie mit Fusionsplänen und Schließungen aufs Spiel.

Venezuela: Programm für Musik statt Drogen

Rattle zeigte sich fest davon überzeugt, junge Zuschauer für Klassik begeistern zu können. In Venezuela habe er jüngst ein "atemberaubendes Modell" kennen gelernt. Dort gebe es rund 150 Kinder- und Jugendorchester, die auf einem hohen Niveau spielten. Seit fast 30 Jahren sei das ganze Land mit einem dichten Netz von Musikeinrichtungen überzogen, die vor allem Kindern und Jugendlichen mit der Magie der Musik bekannt machen sollten und so vor dem "kriminellen Glamour des Drogenkonsums und des Drogenhandels" bewahren sollten.

Auch den Ärmsten werde es ermöglicht, ein Instrument zu erwerben und zu erlernen. "Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das ganze Land in seiner Begeisterung für Musik vibriert - die Kinder sind einfach umwerfend."

Dokumentarfilm "Rhythm is it!"

Der Dokumentarfilm "Rhythm is it!", in dem er eine Hauptrolle spielt, könne junge Zuschauer für die Klassik begeistern, sagte Rattle. In der Produktion über die Berliner Philharmoniker wird dokumentiert, wie das Starensemble zusammen mit 250 Berliner Kindern und Jugendlichen Igor Strawinskys berühmtes Ballett "Le Sacre du Printemps" erarbeitet. (APA/AP)