Nach 16 Sitzungen der parlamentarischen Untersuchungskommission zu den Attentaten von Madrid, die am 11. März genau 191 Todesopfer und 1500 Verletzte forderten, ist das Blutbad immer noch nicht völlig aufgeklärt. Die Attentäter und deren Helfer seien zwar in Haft oder tot, über internationale Verbindungen und die Finanzierung des Anschlags gebe es aber nach wie vor kaum Anhaltspunkte, schrieb El País unter Berufung auf die Ermittlungsbehörden.

Auch bei der Fahndung nach dem tatsächlichen Kopf des Massakers tappe die Polizei weiter im Dunkeln. Am Dienstag wird jedenfalls darüber entschieden, ob Expremier José María Aznar als Zeuge geladen wird.

Obwohl sich Aznar als Opfer einer "Medienkampagne" sieht, die zur Niederlage der Volkspartei bei den Wahlen am 14. März geführt habe, zeigt er wenig Interesse, unter Eid zu den Geschehnissen auszusagen. Da sich auch die Sozialisten von einer Vorladung Aznars wenig erwarten, mutmaßt die Opposition, eine Absprache der beiden Großparteien solle Aznar den öffentlichen Auftritt ersparen.

Was den Versuch der Einflussnahme auf Journalisten betrifft, hätten beide Seiten mit Schuldzuweisung zu rechnen: Während Regierungsvertreter in den Stunden nach den Attentaten vom 11. März versuchten, in persönlichen Telefonaten mit Korrespondenten die baskische Terrororganisation Eta als "logische Täter" zu präsentieren, nutzten Oppositionspolitiker das Insiderwissen von Polizisten, um die Regierung der Lüge zu bezichtigen.

Streit um Sprengstoff

So sagte der damalige Innenminister Ángel Acebes während eines sechsstündigen Kreuzverhörs im Parlament aus, er sei zuerst von den Polizeiexperten über den Fund von Titadyne informiert worden - ein Explosivstoff, der gewöhnlich von der Eta eingesetzt wird. Zur gleichen Zeit meldeten allerdings bereits Medien, die Bomben in den vier Schnellbahnzügen würden Dynamit enthalten und seien das Werk einer islamistischen Terrorgruppe.

Der Streit um den Explosivstoff wäre unbedeutend, hätte die Tageszeitung El Mundo nicht die Aussage eines inhaftierten Polizeispitzels veröffentlicht, der seine Kontaktmänner in der Polizeizentrale über den Verkauf einer großen Menge Dynamit informiert haben will. Der in einem Bergwerk gestohlene Sprengstoff landete in den Händen jener Marokkaner, die als mutmaßliche Attentäter vom 11. März identifiziert wurden. (DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.9.2004)