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Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser (l.) und sein niederländischer Amtskollege Gerrit Zalm.

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Berlin/Scheveningen/Wien - Der deutsche Finanzminister Hans Eichel sieht in den Reformvorschlägen für den Stabilitätspakt keine Aufweichung des Pakts – sondern im Gegenteil eine "Verschärfung", wie Eichel vor EU-Korrespondenten erläuterte: "Es wird vereinbart, dass man in guten Konjunkturzeiten Budgetüberschüsse produzieren muss. Das ist in Wirklichkeit eine Verschärfung des Pakts."

Er begrüße die Reformziele für den Pakt: "Ich habe immer gefordert, mit mehr ökonomischer Logik und weniger Juristerei an den Pakt heranzugehen."

Er sei – aus eigener Erfahrung – dafür, dass in Zeiten schwacher Konjunktur die Defizitgrenze überschritten werden dürfe: "Wir haben beinhart konsolidiert. Aber die Ausgaben für den Arbeitsmarkt haben sich fast verdoppelt und die Steuereinnahmen sind ausgeblieben. Da wäre es unmöglich gewesen, die Grenze einzuhalten."

"Rahmenbedingungen werden geschwächt"

Ganz anders ist dagegen die Haltung der deutschen Bundesbank.

In einem ungewöhnlichen Schritt kritisierte Bundesbankvorstand Edgar Meister öffentlich die Pläne für die Reform des Stabilitätspakts. "Die Politik kann den Vertrag nicht einseitig zulasten der Bürger ändern." Die Rahmenbedingungen für die Geldpolitik und die Rolle der Notenbanker als "Wächter eines stabilen Euro" würden dadurch geschwächt.

Der Chef der Österreichischen Nationalbank, Klaus Liebscher, stieß ins gleiche Horn: "Ich begrüße grundsätzlich Bestrebungen, den Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner Umsetzung zu verbessern." Es dürfe allerdings nicht zu einem Aufweichen des Paktes durch die Hintertür kommen, ergänzte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank.

Zalm gegen Notenbank Der niederländische Finanzminister Gerrit Zalm und derzeitige EU-Ratsvorsitzende reagierte scharf: Zalm erklärte, in erster Linie entschieden die EU-Finanzminister und nicht die Zentralbanken über die Zukunft des Paktes.

Auch Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser befürchtet, die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform des Stabilitätspakt könnten in der Öffentlichkeit als eine Schwächung des Regelwerks aufgenommen werden. "Wir werden uns nicht an einer Schwächung des Paktes beteiligen", sagte Grasser unmittelbar vor dem Treffen der EU-Finanzminister.

Er sei sehr besorgt, dass die Vorschläge der Kommission als Schwächung ausgelegt werden könnten. Es müsse eine starke Verpflichtung aller Finanzminister geben, dass sie den Pakt streng und einheitlich auf alle Länder anwenden wollten.

"Insgesamt ein gutes Dokument"

Sein spanischer Amtskollege Pedro Solbes – früher EU-Währungskommissar – begrüßte dagegen die Vorstellungen der Kommission, kurz bevor die erste Diskussion der Finanzminister der Euro-Zone über das Thema am Freitag in Scheveningen begann. "Insgesamt ist es, glaube ich, ein gutes Dokument."

Die Kommission hatte vergangene Woche Vorschläge für eine flexiblere Handhabung des Paktes vorgelegt, die den Staaten schon bei anhaltend niedrigem Wachstum ein Überschreiten der Defizit-Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erlauben würde. (Alexandra Föderl-Schmid, Eva Linsinger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12.9.2004)