Rom - Nach der Entführung der Italienerinnen Simona Torretta und Simona Pari im Irak hat der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi am Mittwoch in Rom die Vertreter der Opposition getroffen, um über eine gemeinsame Strategie zur Freilassung der beiden humanitären Helferinnen zu beraten. Die Oppositionsvertreter erklärten sich bereit, ihre massiven Bedenken hinsichtlich des militärischen Engagements Italiens im Irak beiseite zu legen und mit der Regierung aktiv zur Rettung des Lebens der beiden jungen Frauen zusammenzuarbeiten.

Berlusconi "sprachlos"

"Wir müssen unsere Divergenzen vergessen und dafür sorgen, dass Torretta und Pari unversehrt nach Hause kommen. Wir sind jedoch nach wie vor gegen einen Verbleib unserer Truppen im Irak", sagte der Sprecher der Grünen, Alfonso Pecoraro Scanio. Beim Treffen mit der Opposition bekräftigte Berlusconi seine Entschlossenheit, alle diplomatischen Hebel in Bewegung zu setzen, um das Leben der beiden Mitarbeiterinnen der humanitären Organisation "Eine Brücke für..." ("Un ponte per...") zu retten. Er zeigte sich über die Entführung der beiden Frauen "sprachlos". "Für den Koran sind Frauen heilig", betonte er.

Die Opposition drängte auf rasches Handeln und warnte: "Die Geiselnahme darf nicht wie die Entführung des Journalisten Enzo Baldoni enden." Der Mord an Baldoni, freier Mitarbeiter des Nachrichtenmagazins "Il Diario", war vor zwei Wochen vom arabischen TV-Sender Al Jazeera bekannt gegeben werden.

Das neue Geiseldrama löste in Italien Stürme der Entrüstung aus. Die beiden Frauen, die auch als freie Mitarbeiterinnen des italienischen Radiosenders "Radio 24" tätig waren, befanden sich seit mehreren Monaten in Bagdad.

Simona Torretta war bereits vor zehn Jahren erstmals in den Irak gereist und hatte das Land zu ihrer zweiten Heimat gemacht. Die beiden Freiwilligen arbeiteten an Wasser- und Schulprojekten und beschäftigten sich mit der Unterstützung von Kindern. Sie waren die beiden einzigen ausländischen Mitarbeiterinnen der Organisation, die in der irakischen Hauptstadt geblieben waren, nachdem die Entführungen westlicher Staatsbürger in den vergangenen Monaten stark zugenommen hatten.

"Simona wusste, dass die Lage kritisch war, sie wollte uns jedoch nicht beunruhigen", sagte Emanuela Torretta, Schwester der entführten Missionsleiterin. Vor der Wohnung der jungen Frau versammelten sich am Dienstagabend in Rom hunderte Menschen, die sich mit ihrer Familie solidarisch erklärten. Simona Torretta, wie Pari 29 Jahre alt, hatte in den vergangenen Jahren in Afghanistan Erfahrung mit humanitären Missionen gesammelt.

Spontan wurde auch eine Demonstration vor dem Regierungssitz organisiert, um vom Kabinett Berlusconi den stärksten Einsatz zur Freilassung der beiden Frauen zu fordern.

"Offensive gegen Regierung Berlusconi"

Eine islamistische Gruppe, die sich "Ansar al-Zawahri" nennt, bekannte sich zur Entführung der beiden Italienerinnen. In einer Aussendung, die auf einer islamistischen Webseite veröffentlicht wurde, schrieben die mutmaßlichen Entführer, die Geiselnahme sei Teil einer Offensive gegen die Regierung Berlusconi, die ihre Truppen nicht aus dem Irak nicht abziehen wolle. Die Entführung sei demnach eine Racheaktion für die Besatzung und für "die Tötung von Moslems". "Berlusconi kann mit weiteren Angriffe von uns rechnen", hieß es in der Mitteilung. Experten halten das Bekennerschreiben jedoch für nicht glaubwürdig. Auf der Webseite waren öfters Drohungen gegen die Regierung Berlusconi veröffentlicht worden. (APA)